Quelle: Archiv MG - AFRIKA RSA - Republik Südafrika


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       Dortmunder Hochschulzeitung, 01.07.1986
       
       Die Republik Südafrika
       

EIN SPIEGELBILD UND GARANT WESTLICHER VERHÄLTNISSE

Es kracht wieder einmal in Südafrika. Das heißt, die Schwarzen werden durch die Machthaber wieder mal besonders ausgiebig schi- kaniert, obdachlos gemacht, zwangsumgesiedelt, von Polizei und Militär regelrecht belagert. Im Zuge eines neuerlichen "Aus- nahmezustands" sind die führenden oppositionellen Köpfe ins Gefängnis gewandert, soweit sie nicht längst gefangen, umge- bracht, hingerichtet, zur Flucht gezwungen worden sind. Was sich noch regt, wird von den Ordnungstruppen rücksichtslos zerschla- gen, wie immer, wenn in den schwarzen Gettos irgendwer prote- stiert. Das geht seit Jahr und Tag so - und ebenso regelmäßig wie dort die weißen Politiker blutig für ihre Ordnung sorgen, melden sich hierzulande die Oberdemokraten zu Wort und melden Bedenken an, ob das wohl so weitergehen kann; ob darunter nicht die Ordnung lei- det und ob die Schwarzen nicht doch etwas mehr Rechte bräuchten, womöglich durch westlichen Druck auf die Buren. Dabei haben die Ordnungsfanatiker - die sturen Buren sowieso, aber auch die Ver- teidiger von Recht und Freiheit in Bonn und Washington - gar kein Interesse an irgendeiner Änderung, sondern ihre guten Gründe, die Verhältnisse haargenau so zu erhalten, wie sie sind. Und im Grunde erfährt das auch jeder. Warum die regierenden Buren so stur sind ---------------------------------------- Es ist ja gar nicht so, daß den Schwarzen nur ein paar R e c h t e fehlten, auf die ein lohnarbeitender Bürger hierzu- lande so stolz sein soll: zum Beispiel die großartige Erlaubnis z u w ä h l e n - d.h. zu den Personalvorschlägen der herr- schenden Parteien seine Stimme abzugeben; oder das großartige Zugeständnis, sich einigermaßen frei bewegen zu dürfen, wenn man Gelegenheit und Mittel dazu hat; das ungeheure Recht, jeden Ar- beitsplatz freiwillig annehmen zu dürfen, den man kriegen kann und den die Ausbildung eröffnet, die man (nicht) genossen hat; schließlich das Privileg, ein staatlich betreuter Arbeitsloser oder anderer Sozialfall zu werden. All das fehlt der Mehrheit mit der falschen Hautfarbe in Südafrika wirklich; aber eben deshalb, weil die nützliche S c h e i d u n g i n a r m u n d r e i c h dort unten etwas anders geht und etwas anders poli- tisch garantiert wird als hierzulande. Hierzulande hat jeder das gleiche Recht zur 'Entfaltung seiner Persönlichkeit'. Gleichwohl gibt es für die Mehrheit nicht viel zu gewinnen, weil das entsprechende Eigentum, das Geld, das El- ternhaus und die Bildung(smöglichkeit), kurz: so ziemlich alles fehlt, um sich die 'Chancen' zu eröffnen, die angeblich aus jedem einen potentiellen Millionär machen. Die Erledigung dieser Chan- cen garantiert der Staat durch den Schutz der V e r h ä l t- n i s s e, in denen man es ohne Geld, ohne Eigentum, ohne höhere Bildung eben doch nur zum Fach-, Normal- oder Hilfsarbeiter, zum mittleren und kleinen Angestellten, zum Arbeitslosen, Rentner, Sozialfall bringt. In Südafrika ist und wird dagegen vor allem anderen immer schon p o l i t i s c h e n t s c h i e d e n, wo einer hingehört in der Gesellschaft und daß es die Mehrheit zu nichts bringen kann. Der Staat hat rechtliche Vorkehrungen getroffen, daß die Neger automatisch als jederzeit abrufbare Lohnsklaven bereitstehen und daß sie nicht stören, wenn sie nicht gebraucht werden. Durch die politische Gewalt sind Klassen auseinandersortiert - unter produktiver Anwendung des Merkmals Hautfarbe. Marktwirtschaft auf südafrikanisch ---------------------------------- Die Rassentrennung ("Apartheid") passiert grundsätzlich durch das E i g e n t u m s r e c h t. Alles fruchtbare Land und alle ein- träglichen Geschäftszweige befinden sich ausschließlich in weißer Hand - was keineswegs bedeutet, daß alle Weißen auskömmliche Ge- schäfte betreiben würden! Auf alle Fälle aber bedeutet es, daß die Schwarzen sich auf dem verbleibenden Land so gut wie gar nicht ernähren können, sich also überreichlich für die Knochenar- beit auf den Plantagen, in den Minen und Fabriken "anbieten". Ge- setze legen haarklein die Bedingungen fest, zu denen sie dies d ü r f e n. Die Schwarzen haben kein südafrikanisches Bürgerrecht. Sie sind mit Pässen von eigens für sie eingerichteten "Banturepubliken" auf dem Territorium der Republik Südafrika ausgestattet. Außer- halb dieser öden Landstriche braucht ein schwarzer Südafrikaner eine A u f e n t h a l t s g e n e h m i g u n g, d.h. den Nachweis, daß er gerade g e b r a u c h t wird. Die Schwarzen können so nach ihrem Verwendungszweck s o r- t i e r t werden: Arbeitskräfte dürfen sich in den "Townships" außerhalb der Städte, regelrechten Gettos und Slumbezirken, legal aufhalten. Ihre nicht arbeitenden Angehörigen können ins zuständige "Bantustan" abgeschoben werden oder wohnen illegal. "Unruhestiftern" wird die Aufenthaltsgenehmigung entzogen, um sie anschließend als "illegale Ansiedler" völlig legal einbuchten zu können. Polizei und Armee führen regelmäßig Razzien und Kontrollen durch. Auf der anderen Seite werden aus den umlie- genden Staaten zusätzlich eine Menge schwarzer Hungerleider als Billigstarbeitskräfte bei Bedarf in Südafrika eingesetzt. So gibt es immerzu neben den elendsten 'Arbeitsplätzen' in Minen und Plantagen ein Millionenheer überzähliger anspruchsloser Arbeits- kräfte, das sich nach diesen Jobs drängt. Wo der überwiegende Teil der schwarzen Bevölkerung nicht einmal in den Genuß eines Arbeitsplatzes kommt, ist auch die "L o h n f i n d u n g" für den glücklichen Teil kein Problem. Die Löhne können in der Regel von den Unternehmen festgesetzt werden und garantieren, daß man, solange man arbeiten darf und kann, nicht vor Hunger umfällt. Es sei denn, man fällt wegen an- derer Sachen um, weil man 10 Jahre lang Asbest geschluckt hat z.B. oder das Klima in den Gruben nicht aushält oder... Auf dieser preiswerten Grundlage kümmern sich dann vorbildliche deutsche Firmen sogar um die Gleichstellung der Rassen: Sie bil- den einen landesüberdurchschnittlichen Prozentsatz schwarzer Facharbeiter und Angestellter aus, deren Beschäftigung sie dann billiger kommt als die Gehälter für die gesetzlich bevorzugten weißen Kräfte. In der Heimat betreibt man damit Imagepflege, die die südafrikanischen Extraprofite als unternehmerische Wühlarbeit gegen die Apartheid verklärt. Das freut den DGB. Meinungsver- schiedenheiten mit dem Arbeitspersonal sind bei soviel Anwärtern auf die Arbeitsplätze auch kein Problem. Streiks fallen meist schon der Drohung mit Massenentlassungen zum Opfer, bevor sie überhaupt in Gang kommen. Ganze Belegschaften können nämlich aus- getauscht werden. Die deutsche Firma Siemens war bei der letzten Lohnauseinandersetzung sogar so großzügig, alle wieder einzustel- len - bis auf Gewerkschaftsmitglieder. Freiheitliche Demokratie auf südafrikanisch ------------------------------------------- Natürlich spart sich die weiße Herrschaft unter diesen Verhält- nissen auch alle möglichen Maßnahmen, um das Arbeitsvolk brauchbar zu erhalten, für die Fälle von Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit eine gewisse Armutsvorsorge zu treffen und einen geregelten Teil vom Lohn in seinen Kassen zu sammeln. Erstens braucht es das nicht, sondern schafft nur unnötige 'Ansprüche'. Zweitens läßt sich aus lauter Mittellosen keine einträgliche staatliche Finanzquelle machen, wie das hierzulande so gut geht. Wenn Millionen bloß empfangsberechtigte Sozialfälle, aber keine abgabepflichtigen Zahler sind, steht ja das Versicherungswesen Kopf; diese sozialstaatliche Grundweisheit beherzigen doch auch Blüm und Konsorten, wenn sie dafür sorgen, daß die Staats- versicherungskassen immer mehr einnehmen und immer weniger ausgeben, kaum steigen die Armuts-, Kranken- und Sozialfälle. Statt dessen betrachtet die Regierung die Schwarzen als einen H e r d m ö g l i c h e r U n r u h e, ein rein polizeiliches Ordnungsproblem also, das sie mit entsprechenden Maßnahmen an- geht. Den Rest an 'Betreuung' überläßt sie den Schwarzen selbst: den Kirchen, freiwilligen Hilfsinstitutionen, der mittellosen Ho- melandverwaltung. Wenn die aber zuviel an Selbstverwaltung in den schwarzen Elendsvierteln organisieren, wenn die mehr staatliches Entgegenkommen statt Gewalt fordern und kritisieren, statt bloß beten und die Armen vertrösten, dann bekommt auch noch der or- dentlichste Kirchenmann zu spüren, daß rechtsstaatliche Gleich- heit, Menschenrechte und soziale Betreuung ein schönes Ideal sind, an dem in Südafrika keinerlei Interesse besteht. Wo gar eine O p p o s i t i o n den bewaffneten Widerstand ver- tritt und probiert, da 'reagiert' das Burenregime weit über seine eigenen Grenzen hinaus mit Terror und Militärkommandos, Mord und Kriegsaktionen nach dem Muster der NATO-'Terrorismusbekämpfung' in Libyen. Ihr Recht und ihre Freiheit verteidigt die Burenrepu- blik deswegen auch gleich im ganzen südlichen Afrika; sie führt sich gegenüber ihren 'Nachbarstaaten', insbesondere Angola und Mosambik mit ihren cubanischen und sowjetischen Helfern, als Ord- nungsmacht auf und stiftet mit 'Befreiungsbewegungen' dort ebenso rücksichtslos Unruhe, wie sie umgekehrt jede Opposition gegen ihre Gewalt blutig unterdrückt. Warum der Westen voll dahintersteht ----------------------------------- Das ist eigentlich eine klare Angelegenheit. Erstens werden in Südafrika von den regierenden Weißen und ihrer Geschäftswelt ja lauter eherne Grundsätze w e s t l i c h e r Führungs- und Ge- schäftskunst beherzigt. Auch die sozial-marktwirtschaftliche freie Bundesrepublik lebt von einem Heer billiger und einsatzbe- reiter Arbeitskraft, hat ihre Millionen Arbeitslosen, spart kräf- tig an Kosten, hat ihre "townships" in Kreuzberg und anderswo, sorgt dafür, daß Millionen Billigstarbeitskräfte bei Bedarf her- gekarrt und, wenn nicht mehr gebraucht, kostengünstig wieder fortgeschafft werden. Auch hierzulande wird Protest nicht gerade mit Samthandschuhen angefaßt, vom Falle einer ernsthafteren 'Störung der öffentlichen Ordnung' ganz abgesehen: Da hat der Staat seine Ausnahme- und Notstandsgesetze parat. Und gerade bei uns gilt der Anspruch - in den demokratischen Parteien fest ver- ankert -, daß Wähler mündig zu sein haben und für die Stabilität der Politik und ihren ungestörten Gang da sind und für sonst nichts. Wer schon ein bißchen alternatives Grün im deutschen Par- lament für ein Sicherheitsrisiko für Politik und Marktwirtschaft ansieht, der wird ja wohl nicht gerade unzuverlässige schwarze Hungerleidermassen als bevorzugte Bürger ansehen und behandelt wissen wollen. Zweitens p r o f i t i e r e n "wir", d.h. die westlichen Welt- politiker, von Südafrika viel zu sehr, als daß die Oberverteidi- ger der Freiheit irgendeine Änderung ernsthaft befürworten wür- den. Die freie Welt spielt in den südafrikanischen Verhältnissen ja auch beständig eine alles entscheidende - und zwar stabili- tätsfördernde Rolle. Schließlich stehen mit dem Burenregime auch 'unsere Interessen' auf dem Spiel. Deutsche Weltfirmen, britische Traditionsunternehmen, amerikanische Dollars sind dort massenhaft engagiert und benutzen die Segnungen des billigen Arbeitsviehs. Die Schwer- und Rüstungsindustrie Deutschlands (und anderer west- licher Länder) ist auch der Hauptabnehmer und Interessent der südafrikanischen Rohstoffproduktion und -vorkommen. Dieser Vorzug - mit westlichem Kapital entsprechend gefördert - garantiert näm- lich für alle denkbaren Krisen- und Kriegsfälle eine sichere Ver- sorgung mit Grundstoffen fürs Geschäft und vor allem auch die Mi- litärproduktion. Außerdem hat Südafrika mit seiner Politik gegen- über Angola, Mosambik und überhaupt in der Region westliche Ord- nungsinteressen gegen den Osten übernommen. Die sturen Buren ge- hen mit ihrer immer weiter ausgreifenden Sicherheitspolitik gegen alles vor, was nach sowjetischem Einfluß aussieht, verteidigen also dort unten NATO-Anliegen: "Wir werden uns durch noch so unberechtigte Kritik auch aus be- freundeten Staaten nicht davon abhalten lassen, unsere Pflicht gegenüber der Freien Welt zu erfüllen und sowjetischer Subversion im Süden Afrikas überall entgegenzutreten." (Südafrika-Präsident Botha) Deswegen ist es auch gar nicht verwunderlich, daß die Ordnungs- einsätze nach außen und im Innern auch noch mit ganz viel deut- schem Militärgerät und deutschen Ausbildern tatkräftig unter- stützt werden; daß Südafrika in den Besitz jeder westlichen Waffe, Atombombentechnologie eingeschlossen, gekommen ist. Die angeblich so "untragbaren" Zustände werden also e n t s c h i e- d e n m i t g e t r a g e n und sind der N o r m a l- u n d D a u e r z u s t a n d eines westlichen Vorzugspartners und NATO-Bollwerks. Alles, was es dort unten braucht, ist also S t a b i l i t ä t - und die ist dank der rücksichtslosen politischen Gewalt grund- sätzlich und im Prinzip bestens gewährleistet. Das wird auch bei jeder Debatte darüber, ob man nicht mit westlichem Einfluß dort unten einiges ändern müßte, immer sofort klar. 'Es geht nicht so einfach', 'es darf keine Unruhe entstehen', 'das schadet nur uns und den Negern', 'das lassen die Buren doch nicht zu', 'die Neger sind doch (noch) gar nicht (wirklich) reif für die Demokratie' - heißt es regelmäßig. So erfährt man mit gebührender Heuchelei aus dem Munde der Oberdemokraten, daß unsere Regierenden und Wirt- schaftsmänner keinerlei Veranlassung haben, ihre Politik in und gegenüber Afrika zu ändern. zurück