Quelle: Archiv MG - AFRIKA RSA - Republik Südafrika
zurück MSZ 10/86 SanktionenPOLITISCHE ERPRESSUNG MIT DER ÖKONOMIE
Sollen die führenden NATO-Staaten gegen die Republik Südafrika Wirtschaftssanktionen verhängen, um sie zur Aufgabe ihrer Apart- heid-Politik zu zwingen? Reagan kündigt sein Veto gegen alle diesbezüglichen Beschlüsse seines Kongresses an. Die EG-Staaten haben ein paar symbolische Maßnahmen verhängt, denen Bonn nur we- gen der europäischen Einheit zugestimmt haben will. Eine enga- giert geführte Debatte ums Los der Schwarzen in der RSA. Seit wann kümmert sich denn die Weltpolitik um die?! 1. Wenn ein Staat einem anderen die bisher "gedeihlichen" Wirt- schaftsbeziehungen teilweise oder ganz aufkündigt, um ihre Wie- deraufnahme an die Erfüllung bestimmter politischer Forderungen zu binden, dann bedient er sich einer A b h ä n g i g k e i t, die erst einmal v o r h a n d e n sein muß. Schließlich soll die unter Sanktionen gestellte auswärtige Herrschaft "einsehen", daß sie sich schon im Interesse der eigenen Machtmittel und ihrer ökonomischen Quellen ein Übergehen der an sie gerichteten Mahnung nicht leisten kann: Sie wird daran erinnert, daß ihr Reichtum auf fremder Benutzung basiert und daß, was auf seiten des sanktionie- renden Staates eine Geschäftsbeschränkung bestimmter Kapitalisten oder Kapitalistengruppen ist, auf seiten des sanktionierten gleich eine massive Schädigung seiner Herrschaftsgrundlage dar- stellt. Das Resultat des friedlichen Handels und Wandels - Scha- den und Nutzen des wechselseitigen Verkehrs sind recht einseitig verteilt - erfährt durch den "Partner", der seinen ökonomischen Erfolg zum Hebel politischer Erpressung macht, freilich eine ent- gegengesetzte Deutung: Auf einmal sollen alle Verlaufsformen "normaler" Zwischenstaatlichkeit, an die sich in der Vergangen- heit gehalten wurde - Anerkennung der fremden Souveränität, Nichteinmischung usw. - nichts als Z u g e s t ä n d n i s s e und Großzügigkeiten der eigenen Seite gewesen sei, die man sich nicht ewig "leisten" will, wenn die Gegenseite sich diese Behand- lung nicht durch Wohlverhalten "verdient". Wer die Reichtümer an- derswo seiner einheimischen Geschäftswelt dienstbar gemacht h a t, maßt sich eben auch noch die Pose desjenigen an, der "Krämerseelen" verachtet und dem Wirtschaft und Profit nicht über alles gehen; und weil sich für ihn selbst der Abbruch von Wirt- schaftsbeziehungen nutzbringend einsetzen läßt, wird ihm diese Pose sogar geglaubt. 2. Wahr ist daran nur soviel, daß sich der Standpunkt eines Staats, der Wirtschaftssanktionen androht bzw. verhängt, vom Blick auf gegenseitige Bilanzen und deren Plus und Minus in der Tat emanzi- piert hat. Wenn nämlich rückblickend der ganze Waren- und Kapi- talverkehr als Beitrag zur Aufrechterhaltung einer mittlerweile für zweifelhaft befundenen H e r r s c h a f t gewürdigt wird, mithin auch die Einschränkung von Geschäften ausdrücklich mit dem Ziel politischer Schädigung verbunden wird, dann geht es längst um mehr! Dann wird als Recht des ökonomisch Überlegenen nichts Geringeres als ein w e l t w e i t e r O r d n u n g s a n- s p r u c h angemeldet; und Strafaktionen gelten der Eigen- mächtigkeit von Regierungen, die trotz ihrer Abhängigkeit meinen, ihre Gewalt über irgendeinen Landstrich und dessen Bewohner ohne Konsultation und Placet der obersten Aufsichtsbehörden in Bonn, Brüssel und Washington ausüben zu können. Daß ökonomische und politische Macht gleich d a s s e l b e sein sollen, wie das "Belehrungsmittel" Sanktion unterstellt, ist andererseits ein Idealismus, der gerade den selbstberufenen Richtern der übrigen Staatenwelt am wenigsten unbekannt ist. Wenn sie Sanktionen für notwendig erachten, dann gehen sie ja selbst davon aus, daß der Umstand der wirtschaftlichen Unterlegenheit für sich noch überhaupt keine politische Willfährigkeit herbeiführt. Und wenn s i e so frei sind, ihrer Wirtschaft manches Geschäft im Interesse höherer Rücksichten zu vermiesen, dann wissen sie auch, daß von ihnen geschädigte Staaten in ihrem Gewaltapparat immer noch das Mittel in Händen haben, sich anderswo anzudienen oder den Schaden eben auf Kosten ihrer Untertanen auszuhalten. Die Klage und öffentliche Diskussion, daß "Sanktionen nichts nützen", gehört deshalb zu ihrer Verhängung, zumal bei Staaten, die im Un- terschied zu anderen noch an einem Fortgang des normalen Ge- schäftsverkehrs interessiert sind - deshalb weiß man schon vor- her, daß Sanktionen immer "unterlaufen" werden. Das führt aber todsicher nicht zur Aufgabe des auf so untaugliche Weise einge- brachten Anspruchs, sondern eher zu seiner Radikalisierung. Wer "unterstützt" die falschen Brüder noch, indem er sie nicht gleichfalls ins Abseits stellt? Und was soll man nur mit einer Regierung machen, die sich "politischem" Druck unzugänglich zeigt und verbohrt - weil ihr das gar nichts (mehr) einbringt - auf ihre n a c k t e G e w a l t setzt? 3. Von vorneherein als Mittel der K r i e g s v o r b e r e i- t u n g fungieren Exportbeschränkungen aus dem Westen in die Staaten des Warschauer Pakts. Zusammengefaßt in der Cocom-Liste unterliegen alle Waren einem strikt überwachten und durch- gesetzten Verkaufsverbot, die auch nur im weitesten Sinne für militärische Zwecke verwendet werden könnten. Gegen den erklärten Feind ist der Zweck der Sanktion unumstritten; zwischen den betroffenen Exportnationen wird nur über den Warenkatalog ge- stritten, ob z.B. Stahlröhren aus der BRD schon "strategische" Artikel sind oder nicht. Gegen Cuba und Nicaragua haben die USA ein W i r t s c h a f t s e m b a r g o durchgesetzt mit dem erklärten Ziel, die wirtschaftlichen Grundlagen ihrer Macht zu schwächen, die Einigkeit von Volk und Regierung zu zersetzen, also das feindliche System zur Selbstaufgabe zu bewegen und, wie aktuell im Falle der Sandinisten, die militärische (End-)Lösung zu unterstützen. Gegenüber Staaten des eigenen Lagers sieht die NATO die Sache natürlich differenzierter. Hier drücken Sanktionen die Unzufriedenheit mit dem Beitrag zur gemeinsamen Sache aus und sind deshalb auch nicht mehr als nachdrückliche Botschaften und Mahnungen an den Partner. Über symbolische Nadelstiche kommt man deswegen auch nie hinaus. 4. Wirtschaftssanktionen sind - mit dem Angebot, es so weit nicht kommen zu lassen - die friedliche A l t e r n a t i v e b z w. V o r s t u f e z u m K r i e g und auch nur in dem Maße "glaubhaft", wie sie nicht selbst das letzte Druckmittel darstel- len, dessen sich ein Staat im Umgang mit anderen bedienen kann. Weil mit ihnen - je nach politischer Absicht mal mehr demonstra- tiv, mal mehr handfest - die höchsten Gewaltfragen aufgeworfen werden, erfreuen sie sich von Staats wegen einer ganz ausnahms- weisen m o r a l i s c h e n B e g u t a c h t u n g: Gerade sein Recht auf unwidersprochene Einmischung in auswärtige Herr- schaftsverhältnisse möchte kein Staat durch den geringsten An- schein von Eigennützigkeit relativiert sehen. Während man jen- seits des Atlantiks seit jeher im Auftrag zivilisatorischer Er- rungenschaften (von der Pressefreiheit bis zur "Freiheit vom Ter- ror") tätig wird, hält man's hierzulande mehr mit dem Menschen, der auch außenpolitisch stets im Mittelpunkt steht. Anerkannte Gewerkschafts- und Streikfanatiker wie Strauß und Lambsdorff ha- ben nichts als Streikrecht und den polnischen Arbeiter im Sinn, wenn sie Sanktionen gegen Polen verhängen; umgekehrt werden Gen- scher und Kohl, die schon immer gegen Billiglöhne und die Ausnut- zung gewisser Nationalitätsunterschiede hierfür gewesen sind, von nichts als der Sorge um die armen Neger bewegt, wenn sie von zu weit gehenden Maßnahmen gegen Südafrika gerade noch mal abraten. Daß hier im einen Fall die Schädigung eines anderen Staats seinem Volk letztlich zugutekommen, im andern Fall dem Volk erst recht schaden soll, macht in der Einheitlichkeit des Bezugspunkts wenig aus: Jedenfalls haben Polen wie Neger einen natürlichen Rechtsan- spruch auf d e u t s c h e B e t r e u u n g - und der wird ihnen erfüllt, ob sie nun den Ausbau oder den Abbruch des "wechselseitigen Nutzens" ausbaden müssen! zurück