Quelle: Archiv MG - AFRIKA RSA - Republik Südafrika
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MSZ 10/85
Buren, Bantus und Boykotte
IST DIE REPUBLIK SÜDAFRIKA IN DER KRISE?
"Ein erbitterter Kampf steht bevor, der die allgegenwärtige
Apartheid abschütteln wird... Die Schwarzen hatten bislang nur
Steine, Benzinbomben und ihre Stimmbänder, um sich dem Militärap-
parat zu widersetzen. Dieser ist gut genug durchorganisiert und
wohlausgestattet, um die wachsende Unzufriedenheit noch für eine
lange Zeit unter Kontrolle zu halten." (Le Monde)
"Die Leute werden abgeschlachtet, abgeschossen wie die Kaninchen,
und das geht so weiter und weiter." (ANC-Führer Oliver Tambo)
Der Schwindel von der "gefährdeten inneren Stabilität"
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des Staates
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Die Toten, die bevorzugt als Anzeichen für eine südafrikanische
Krise vorgeführt werden, als Beweis, daß "es so nicht weiter-
geht", sind das gerade nicht - sie sind n o r m a l. Nicht nur,
daß es immer mal wieder Aufstände gab, die niedergeschlagen wur-
den; die südafrikanischen Ordnungsverhältnisse schließen auch
selbstverständlich ein, daß alltäglich ein paar Neger daran glau-
ben müssen, wenn sie sich bei einer der dutzenden Kontrollen
falsch bewegen, davonlaufen oder auch nur das Pech haben, bei der
Auflösung eines Demonstrationszuges von einer der vielen
"verirrten Kugeln" getroffen zu werden. Aus diesen Toten auf eine
Schwäche des Staates schließen zu wollen und dafür ausgerechnet
noch die Ausrufung des Ausnahmezustands als Beleg anzuführen, ist
schon ein ziemlich zynisches Unterfangen: Die Toten sind zunächst
einmal w e g g e r ä u m t e Staatsfeinde - unter diesen Ver-
dacht fällt in Südafrika j e d e r Neger, schon gleich jeder
umgekommene! -, und der Ausnahmezustand ist die Handhabe zu noch
rascherem Wegräumen. Wer aus dem staatlichen Zuschlagen den
Schluß auf eine N o t eben dieses Staates zieht, dem ist höch-
stens der Wille anzumerken, sich eine Veränderung zu w ü n-
s c h e n - von den wirklichen Verhältnissen will er keine
Ahnung haben. Der südafrikanische Staat rechnet nun mal seit eh
und je damit, die Botmäßigkeit seiner Mehrheitsbevölkerung er-
zwingen zu müssen - mit der dazugehörigen killing ration. Die Bu-
ren scheren sich offensichtlich wenig um den Idealismus des west-
lichen Bürgers, der die Gewaltausübung seines demokratischen
Staates für die friedlichste Sache der Welt hält und der darum
dort unten eine A b w e i c h u n g meint feststellen zu
müssen: Die Gewalt tritt in aller O f f e n h e i t hervor -
und das sei doch irgendwie u n n ö t i g.
D i e innenpolitische Gefährdung, die von den Schwärzen ausgehen
k ö n n t e, nämlich die Verweigerung ihres Gebrauchs als Ar-
beitsvieh, ist absolut nicht abzusehen da würden die Herren Kri-
tiker auch ganz schnell wieder auf seiten von Ruhe und Ordnung
sein, und zwar um jeden Preis. Gegen Streiks funktioniert der
Herrschaftsapparat sehr effektiv und mit nur mittelmäßigem Aufse-
hen. Die angekündigten Arbeitskämpfe in den Gold- und Platinminen
waren vorbei, noch ehe sie angefangen hatten. Die Androhung der
für solche Fälle vorgesehenen Behandlung der Belegschaften - Ent-
zug aller Werksleistungen, vom Wohnraum angefangen, dann Entzug
der Arbeitserlaubnis, Abtransport in die 'homelands', Ersetzung
durch willfährige Elemente, von denen sich das südafrikanische
System genügend Massen zum jederzeitigen Abruf produziert hat -
reichte vollständig aus, um einen ökonomischen Schaden oder poli-
tischen Druck an dieser Front gar nicht erst entstehen zu lassen.
Heuchelei sind daher auch die gern kolportierten Besorgnisse ein-
heimischer Industrieller, ihr Geschäft könnte auf lange Sicht un-
ter der "Entrechtung" der Schwarzen leiden. Mag sein, daß der Ge-
schäftsvorteil, der aus der speziellen Rechtsstellung der schwar-
zen Arbeiter zu ziehen ist, für manche Firmen nicht mehr übermä-
ßig ins Gewicht fällt. Es mag auch sein, daß etliche Manager sich
an den staatlich gesicherten Privilegien weißer Arbeiter stören
und in ihrer Belegschaft gerne eine "Gleichberechtigung" nach un-
ten durchsetzen würden. Der Wunsch von Kapitalisten nach einem
"entbürokratisierten" Arbeitsmarkt erschüttert einen Staat aber
noch lange nicht; und der Warenumsatz leidet unter dem ebenso ge-
waltsamen wie sporadischen und hoffnungslosen Aufbegehren einer
schwarzen Minderheit genauso wenig wie die Produktion - keine
Krise abzusehen. Mit ihren vermehrten Initiativen zur "Rassen-
verständigung" haben die südafrikanischen Industriellenverbände
schon gar nicht die Weltöffentlichkeit auf die Zustände in ihrem
Land aufmerksam gemacht, geschweige denn den US-Kongreß oder den
EG-Ministerrat beeindruckt. Eher verhält es sich umgekehrt: Sie
nehmen die Weltmeinung zur Kenntnis und machen sie sich in
berechnenden Demonstrationen zu eigen - was ihre heimischen
Staatsmänner zwar ärgert, aber nicht gerade aus den Regierungs-
sesseln hebt.
Vom kritischen Zustand einer gesunden Wirtschaft
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Ernsthafter zu sein scheint die Kritik an Südafrika, wenn sie mit
Hinweisen auf eine ökonomische Krise des Landes argumentiert.
Tatsächlich haben Banker und Industrielle da Verschiedenes aufzu-
zählen:
- Für die Autofirmen, die sich - aus guten Gründen und mit noch
besserem Erfolg dort angesiedelt haben, oder wenigstens für ei-
nige von ihnen, wird der einheimische Absatzmarkt "eng", seit die
Inflationsraten steigen und der Staat auch am Südende Afrikas ein
"Sparprogramm" über seine Untertanen verhängt. Alfa Romeo macht
zu; andere Gesellschaften, vor allem die drei deutschen, verfügen
einen Betriebsurlaub. Ähnliches in anderen Branchen.
- Die ewigen Exportschlager Südafrikas: die weltweit begehrten
Rohstoffe aus dem Bergbau - sogar der "Rohstoff" des kapitali-
stischen Reichtums schlechthin: das Gold - werden, in der maßgeb-
lichen Weltwährung Dollar gemessen, seit Jahren billiger. Den
sinkenden Exporterlösen und Staatseinnahmen stehen auch am Kap
der Guten Hoffnung steigende Staatsausgaben und Einkäufe auch im
Ausland gegenüber: Es ist kostspielig, einen Viertel-Kontinent
militärisch zu drangsalieren und unter Kontrolle zu halten. Die
Auslandsschulden sind entsprechend gestiegen, haben den Außenwert
des 'Rand' gedrückt und mancher Spekulation gegen ihn Raum gege-
ben.
Krisensymptome? Mag sein. Ein bißchen Krise i n Südafrika ist
allerdings noch lange keine Krise S ü d a f r i k a s. Das ha-
ben die Subjekte des ökonomischen Geschehens mit ihren Aktionen
und Reaktionen eindeutig genug klargestellt:
- Die industriellen Kapitalisten im Lande schauen, daß sie zu den
Krisengewinnlern gehören. Eine Kontraktion des Marktes ist für
sie allemal nicht mehr und nicht weniger als eine Konkurrenzbe-
dingung, die auch ihre Chancen bietet. Der Rückzug von Alfa Romeo
und Ford ist eine Gelegenheit für VW, die Marktanteile seines
Hauptschlagers aus der gehobenen Kleinwagenklasse - speziell für
eine inflationsgeschädigte Massenkundschaft -, den Jetta, auszu-
dehnen. Mercedes und BMW bereiten mit Rationalisierungen bessere
Zeiten vor. Von einer "Flucht" des produktiven Kapitals keine
Spur.
- Die Minenbesitzer kommen auch bei gesunkenen Exporterlösen noch
allemal satt auf ihre Kosten, rechnen sogar wieder mit steigenden
Gewinnen:
"Bei Fortbestehen der gegenwärtigen Situation wird man wohl kaum
erwarten können, daß die Gewinne der Gruppe auf dem industriellen
Sektor mit den Ergebnissen der vergangenen Jahre gleichziehen
werden; doch die Gewinne auf dem Minensektor sollten weiter zu-
nehmen. Insgesamt ist also anzunehmen, daß die Gewinne der Gruppe
im großen Schnitt ein weiteres Mal anwachsen." (Geschäftsbericht
der Johannesburg Consolidated Investment Company, Ltd.)
Und selbst wenn neben der weitergehenden Kapitalakkumulation ei-
niges an Kapitalentwertung stattfindet; selbst wenn der Staat
sich höhere Summen pumpt und der Außenwert der Währung sinkt: Das
ist noch lange kein Grund, die ökonomische Tauglichkeit der Repu-
blik Südafrika (RSA) generell in Frage zu stellen - wie dies eben
doch tatsächlich eine Zeitlang geschehen ist. Auch wenn die RSA
immer weitergehende Zugeständnisse an ihre Gläubiger machen muß,
gehört sie nach wie vor nicht zu den "Schwellenländern", welche
mit ihrer Verschuldung und Inflation bloß eine Sorte Akkumulation
zustandebringen, nämlich die von Ansprüchen auf jeden möglichen
und in Zukunft zu schaffenden nationalen Reichtum in den Händen
vor allem ausländischer Gläubiger.
Und trotzdem hält sich hartnäckig das Gerücht, wird sogar durch
Nachrichten aus der Finanzwelt genährt: die Finanzlage Südafrikas
sei mehr als problematisch, allerlei Einschneidendes unausweich-
lich. Einige kühle Augusttage lang war der 'Rand' einer Spekula-
tion ausgesetzt, die seinen Wert gegenüber dem Dollar vorüberge-
hend glatt halbiert hat. Was ist es nur, was den Finanzmanagern
der Freien Welt an ihrer südafrikanischen Anlagesphäre nicht ge-
fällt?
Vom Kredit, der Südafrika gebührt
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"Viel hängt von Pretoria selbst ab. Wenn es das Regime mal wieder
schafft, die wachsende Auflehnung der Neger niederzuschlagen,
dann wird die internationale Finanzwelt die Vergabe neuer Kredite
mit freundlicheren Augen betrachten. Wenn aber die jetzige Unruhe
nur die Ankündigung einer noch schlimmeren Entwicklung ist, wie
zu vermuten, dann werden immer weniger Verleiher und Investoren
bereit sein, ihr Geld zu riskieren." (Washington Post)
Der "Spuk" mit der südafrikanischen "Finanzkrise" wär über ein
August-Wochenende fast schon wieder verscheucht. Die Rundreise
des Nationalbank-Präsidenten de Kock zu seinen maßgeblichen Kol-
legen brachte einen zwar ziemlich totgeschwiegenen, aber auch
ziemlich durchschlagenden Erfolg. Der Meister konnte bekanntge-
ben, der Schuldendienst für gewisse Auslandskredite werde erst
einmal bis Jahresende suspendiert - und nirgends war ein Auf-
schrei aus der Finanzwelt zu vernehmen, wie jedes südamerikani-
sche Land ihn mit der bloßen Idee eines Schuldenmoratoriums aus-
gelöst hätte. Keine Intervention des Internationalen Währungs-
fonds, der doch sonst freigebig Sparprogramme verordnet, um noch
aus den armseligsten Landstrichen Zinsen herauszuzaubern, und da-
für seine Expertenmannschaften um den Globus schickt. Keine Kapi-
talflucht der Bankenwelt nach dem - sonst auch nicht beherzigten
- Motto: 'Rette sich, wer kann!' Im Gegenteil: Die wiedereröffne-
ten südafrikanischen Börsen notierten den 'Rand' "gefestigt"; und
im Rückblick sah auf einmal alles wie pure Psychologie aus:
"Die rasche Eskalation der Ereignisse im August zeigte, wie
gründlich die Banken die Lage fehlinterpretierten, obwohl sie
sich doch dort aufgrund ihres Engagements auskennen müßten, und
wie leicht sie sich in Panik versetzen ließen - dabei stand, in
nackten Zahlen ausgedrückt, wirklich ziemlich wenig auf dem
Spiel." (Financial Times)
Die ganze Finanzkrise also nichts als ein Stück Hysterie? Kaum zu
glauben, daß ortskundige Banker sich tatsächlich derart verrech-
net haben sollten mit ihren Schuldscheinen aus und Guthaben in
Südafrika. Ernster zu nehmen ist wohl eine Diagnose, die die
Sachlage folgendermaßen auf den Kopf stellt:
"Wir wissen, daß die südafrikanische Wirtschaft an sich gesund
ist. Das Land befindet sich aber in einer Liquiditätskrise."
(Senn, Generaldirektor der Schweizerischen Bankgesellschaft)
Im Burenstaat selbst entdeckt dieser Finanzmensch vom und hinten
keinen Grund für einen Verzicht auf finanzielles Engagement. Da
lautet der Befund eindeutig: "an sich gesund" - normalerweise
Grund genug für einen Banker, allenfalls bestehende Liquiditäts-
probleme zu beseitigen; schließlich ist das sein Metier. Und doch
konstatiert die schweizer Autorität im gleichen Atemzug eine
"Liquiditätskrise", so als könnte von einer solchen Klemme die
Rede sein, ohne daß die Bankenwelt sie durch Zurückhaltung von
Krediten erzeugt. Weshalb solches Zögern bei der Ausnutzung des
südafrikanischen Geldbedarfs, so daß dieser geradezu zu einer
"Krise" w i r d?
Einige aufgeregte Wochen lang hat die internationale Geschäfts-
welt offenbar einer politischen Erörterung Rechnung getragen. Öf-
fentlich erörtert wurde - in den USA sowie zwischen den Haupt-
städten der westlichen Welt - die "Frage" ökonomischer S a n k-
t i o n e n gegen die Buren-Republik; und solche Erörterungen
wartet ein guter Geschäftsmann, bei allem Realismus bezüglich der
ins Feld geführten moralischen Ideale, erst einmal ab, bevor er
seine Engagements in dem verhandelten Land ausdehnt. Mag sein,
daß die "Schwächezeichen" der südafrikanischen Wirtschaft das
Land auch so ein oder zwei Listenplätze in der Rangfolge der
Nationen nach ihrer Kreditwürdigkeit gekostet hätten. Die "Krise"
wurde erst mit der auf wirtschaftspolitische Beschlüsse zielenden
Diskussion ausgelöst - und war mit dieser bzw. den gefaßten Be-
schlüssen auch schon so gut wie vorbei.
Denn das haben alle maßgeblichen Figuren von Reagan bis Genscher
mit ihrem Geseiche über die armen Neger, die durch Wirtschafts-
sanktionen gegen ihre Obrigkeit selbst am härtesten getroffen
würden, idiotensicher klargestellt: Eine S c h ä d i g u n g
des Kapitalismus in der RSA beabsichtigen sie durchaus nicht. In
den USA wurde diese Klarstellung mit Reagans "geschickten Schach-
zügen" gegen den Kongreß, in Europa mit den öffentlich in Anfüh-
rungszeichen gesetzten "Sanktions"-Beschlüssen des EG-Minister-
rats zur gültigen politischen Linie; von Genscher wurde das Ge-
meinte noch einmal mit dem logischen Aberwitz verdeutlicht, man
hätte sich auf "positive Sanktionen" geeinigt - Stipendien für
musikalische Neger statt Handels- oder Kreditboykott. Von da an
entsprach Südafrikas Zahlungsfähigkeit wieder so ziemlich dem
"Gesundheitszustand", sprich: der Kreditwürdigkeit seiner Natio-
nalökonomie.
Sehr kurzbeinig war also auch die vorübergehend heftig gepflegte
Lüge von den moralischen Qualitäten des finanzkapitalistischen
Geschäftslebens, das die bösen Apartheids-Buben durch selbsttäti-
gen Kreditentzug in viel härtere Kalamitäten stürzen würde als
regierungsamtlich beschlossene "künstliche" Sanktionen. Übrig-
geblieben ist derzeit ein mehr technisches Umschuldungsproblem.
Immerhin hat aber der Freie Westen die Frage aufgeworfen, wie ge-
nehm ihm die RSA mit ihrer derzeitigen Politik ist. Und daß damit
praktische Zweifel an der Kreditwürdigkeit des Landes aufgekommen
sind, bezeugt doch eins: Diese Frage bedeutet mehr als eine bloße
ideologische Kritik vom Standpunkt des demokratischen Sauber-
manns.
Auftakt zu einer imperialistischen Korrektur
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Die offizielle Unterscheidung von Subjekten höheren, minderen und
ganz geringen Bürgerrechts durch die südafrikanische Staatsge-
walt, die "Apartheid", gibt die moraltriefenden Sprachregelungen
für die politischen Einwände des Imperialismus gegen die RSA her;
der Grund dafür ist sie nicht. Außer reichlich allgemein gehalte-
nen Empfehlungen an die Machthaber, sie sollten sich um ein bes-
seres Einvernehmen mit der schwarzen Mehrheit bemühen, und noch
allgemeineren Warnungen vor künftigen "Gefahren" ist von den
herrschenden Demokraten zwischen Washington und Bonn ja nichts zu
hören und schon gar nicht zu erfahren, welche demokratischen Kor-
rekturen sie ihren Kollegen in Pretoria denn ans Herz gelegt ha-
ben möchten - nur daß ein stures "one man - one vote" nicht ge-
meint ist, heben sie immer wieder hervor. Die Konjunkturen der
öffentlich geschürten Empörung folgen ohnehin genauestens den po-
litischen Vorgaben: Noch im August war Botha ziemlich
"uneinsichtig" - im September sieht man ihn bereits als Reformer
unter dem Druck von "rechtsaußen". Und eben die Gesetzesänderun-
gen, die zur Zeit der südafrikanischen "Liquiditätskrise" noch
"bloße Kosmetik" waren, werden nach den Brüsseler "Sanktions"-Be-
schlüssen so gewürdigt:
"Die letzthin von Premier Botha angekündigten Maßnahmen zur Re-
form der Apartheid stellen einen Meilenstein in der Geschichte
des Landes dar und sollten auch in dieser Form begrüßt werden. Es
stimmt zwar, daß das fundamentale Anliegen - die politischen
Rechte der schwarzen Bevölkerung - noch nicht angepackt wurde...
Aber mit der Absicht, 8 Millionen Schwarzen die Staatsbürger-
schaft zu gewähren, derer sie in ihren 'unabhängigen' homelands
beraubt waren und das Zuzugssystem (influx control) und die Paß-
gesetzgebung abzuschaffen, hat Pretoria einen ersten Nagel in den
Sarg seiner geheiligten Philosophie der getrennten Entwicklung
geschlagen... Die avisierten Änderungen beinhalten nicht die Auf-
lösung der homelands. Aber die Aufgabe des Prinzips der gespalte-
nen Staatsbürgerschaft, obwohl sie in der Verkleidung einer Dop-
pelnationalität für die vier 'unabhängigen' homelands auftritt,
unterminiert zweifelsohne die Philosophie der getrennten Entwick-
lung." (Financial Times)
Ein philosophisches Experiment hatten die regierenden Größen der
Freien Welt nun gewiß zuallerletzt im Sinn, als sie zur kriti-
schen Überprüfung des politischen Kredits ihres Partners am
Südende des afrikanischen Kontinents geschritten sind. Und von
dem sind sie auch mit Sicherheit nicht so mißverstanden worden.
Ihre Einwände, die sich als Unzufriedenheit mit dem innenpoliti-
schen G e b r a u c h der souveränen Staatsgewalt v o r t r a-
g e n, r i c h t e n sich gegen die S o u v e r ä n i t ä t,
die die südafrikanischen Regierungen sich herausnahmen: gegen die
Freiheit, mit der man "da unten" nationale Interessen über die
Anliegen und Aufträge der demokratischen Welt stellt - d a f ü r
sind "entrechtete" Neger ein so passendes Symbol!
Dabei geht es offensichtlich sehr grundsätzlich "ums Prinzip".
Bestimmte Maßnahmen, die den Westen "verärgert" hätten, sind in
der südafrikanischen Politik nicht auszumachen; und wenn es darum
ginge, wären die nötigen Skandale längst inszeniert worden. Aber
gab es je einen Aufschrei, wenn südafrikanisches Militär in An-
gola einmarschiert ist und ziemlich frei geschaltet und gewaltet
hat? Es traf keinen Falschen! Oder wenn die Freunde ordentlicher
Verhältnisse da unten Mörderbanden nach Mosambik geschickt, das
Volk terrorisiert und die Wirtschaft des Nachbarstaates ruiniert
haben? Der Erfolg gibt ihnen recht: Samora Machel hat allen
"sozialistischen" Experimenten abgeschworen und bietet in
Washington seine Dienste an - in der Berechnung, daß die RSA
einen amerikanischen Vasallen in Ruhe läßt! Hat je ein freiheit-
licher Staatsmann den "Fall Namibia" und den Kleinkrieg gegen die
SWAPO moralisch mit Afghanistan auf eine Stufe gestellt oder mit
Vietnams Eingreifen in Kambodscha? Das wäre der "komplizierten
Lage" doch überhaupt nicht gerecht geworden! Ganz zu schweigen
von der Wirtschaftspolitik des Landes: von der "Disziplin", die
die schwarze Arbeitskraft dort so nützlich macht für freiheitli-
che Industrieunternehmen; von dem ertragreichen Bergbau, der die
Freie Welt billig und sicher mit allen "strategischen Rohstoffen"
versorgt; vom 'Krüger-Rand', der so manche marktwirtschaftliche
Kapitalanlage abrundet. An welchem Punkt hätte der nationale Ego-
ismus der Republik Südafrika, ihr hausgemachter Unter-Imperialis-
mus über das Süd-Drittel Afrikas, ihr geschäftstüchtiger Rohstof-
fexport usw., dem Westen denn n i c h t g e d i e n t?
Wenn trotzdem ein paar Begleiterscheinungen des südafrikanischen
Alltags, ein paar abgeräumte Protestler schwarzer Hautfarbe und
vielleicht ja auch ein paar ökonomische "Schwächezeichen", zum
Anlaß dafür genommen werden, daß die demokratischen Weltmächte
per Boykott-Diskussion nachdrücklich ihre Zuständigkeit für Süd-
afrika anmelden, dann ist also nicht der Buren-Staat auf einmal
untauglich geworden mit seinem extravaganten Kapitalismus und
Sub-Imperialismus. Dann haben die imperialistischen Mächte viel-
mehr die Maßstäbe verschärft, nach denen sie die gewünschte Ver-
fügbarkeit untergeordneter Staatsgewalten bemessen. Dann ist es
ihnen zwar immer noch recht, daß die RSA Namibia besetzt hält, an
die Nachbarstaaten militärische und terroristische "Lektionen er-
teilt" und eine ganze Abteilung des Weltmarkts beliefert. Dann
sind sie aber offenkundig nicht mehr mit der Selbständigkeit ein-
verstanden, die diese Republik daraus für sich ableitet.
Ein Partner wird zurechtgestutzt...
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Der Grund für diese Differenz liegt - ausgerechnet - in den
Diensten selbst, die Südafrika für die westliche Weltwirtschaft
und Weltordnung leistet. Diese schätzt man zwischen Washington
und Bonn offenbar mittlerweile als zu wichtig ein, um ihre Erfül-
lung einem politisch nicht weiter beaufsichtigten nationalen Ego-
ismus zu überlassen. Es stört nicht, aber es könnte jederzeit
stören - und folglich stört es eben doch -, daß die tatsächliche
Wichtigkeit der RSA für die imperialistische Weltherrschaft, von
der Aufrüstung bis zu den Tankerrouten, mit einer politisch prak-
tizierten S e l b s t ü b e r s c h ä t z u n g der rassenfana-
tischen Machthaber zusammenfällt. Deren selbstbewußtes Pochen auf
die Unverzichtbarkeit ihrer strategischen Rohstoffe und auf ihre
Freiheit beim Durchsortieren des südlichen Afrika - mit Anspruch
auf nördlichere Regionen - gehört sich gerade darum nicht, weil
der Westen ihre strategischen Rohstoffe b r a u c h t und ihnen
einen imperialistischen Ordnungsauftrag zugedacht hat.
Verändert hat sich also nicht die Republik Südafrika, auch nicht
ihre Brauchbarkeit. Verändert, nämlich vergrößert, hat sich der
westliche Anspruch auf die totale Verfügbarkeit dieses Nutzens.
Die Mittel, über die dieser Anspruch verfügt, hat die südafrika-
nische Regierung bereits zu spüren bekommen: Schon die Diskussion
von Sanktionen hat genügt, um eine Liquiditätsklemme herbeizufüh-
ren. Nichts leichter, als den bornierten Geschäftssinn von Ban-
kiers mit den politischen Vorgaben auszustatten, die ihre Ge-
schäftspolitik ganz "von selbst" zur Waffe werden lassen: zum In-
strument politischer Erpressung und gesteigerter Ausnutzung.
Schulden sichern nicht nur den ökonomischen Zugriff auf die Roh-
stoffe, die die NATO für ihre Rüstungsprogramme braucht; sie wir-
ken auch auf deren V e r b i l l i g u n g hin, was einem
"Industrieland" nie schaden kann. Und sie erinnern auch den
"verkramptesten" Buren daran, daß die Geschäftsgrundlage auch
seiner Nation in der W i l l i g k e i t ihrer Regierung für
übergeordnete Weltherrschaftsinteressen liegt. So merkt sogar ein
Staat wie die RSA, was es heißt, für den Imperialismus wichtig zu
sein.
Angesagt haben diesen Fortschritt die USA; im demokratischen
Wechselspiel zwischen Präsident und Kongreß-Opposition wird fest-
gelegt, wie weit das imperialistische Interesse, der RSA eine ex-
aktere Definition ihrer Aufgaben verpassen zu können, gerade ge-
hen soll. Die Staaten des zweiten Glieds konkurrieren um Platz-
vorteile beim Mitmachen. Frankreich hat sich selbst und eigene
Vasallen als alternative Ordnungsmacht im Schwarzen Kontinent an-
zubieten; also tritt Herr Mitterrand als "Scharfmacher" auf, for-
dert die weitestgehenden Sanktionen und ruft seinen Botschafter
aus Pretoria ab. Großbritannien hat weit mehr als die historische
Tradition des - von der RSA längst aufgekündigten - Commonwealth
auf seiner Seite, wenn es den Buren-Staat für einen ziemlich bri-
tischen Außenposten hält; also will Frau Thatcher von Sanktionen
gar nichts wissen. Der bundesdeutsche Außenminister tut alles, um
die einstige Kolonialherrschaft über Deutsch-Südwest-Afrika als
politischen Rechtstitel auf eine Zuständigkeit erster Klasse für
das gesamte Südviertel Afrikas wiederaufleben zu lassen, und
übersetzt sich "Sanktionen" sachgerecht in den Auftrag, die deut-
sche Einflußnahme auf allen Ebenen auszubauen. (Und der klassi-
sche "Vielvölkerstaat" Österreich glänzt durch UNO-Treue und -
boykottiert den Krüger-'Rand'...)
Das alles selbstverständlich nur zu Nutz und Frommen der Neger
sowie
...im Einklang mit den Menschenrechten
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Denn das ist ja das Schöne an dieser - sehr prinzipiellen und me-
thodischen - Neudefinition des westlichen Anspruchs auf Südafri-
kas Dienste, daß die "Erinnerung" an die b e d i n g t e
S o u v e r ä n i t ä t der Republik sich hemmungslos vortragen
kann, nämlich als Kritik an deren undemokratischem Gebrauch.
Nichts angenehmer für imperialistische Politiker, als wenn auch
noch sämtliche "Anti-Imperialisten" sie dazu auffordern,
h ä r t e r d u r c h z u g r e i f e n. Vor der Jubiläums-
Vollversammlung der UNO steht jeder anerkannte Teilhaber am
Weltordnungsgeschäft automatisch um so besser da, je unbefangener
er sich in die Affären der RSA einmischt - der jeweils verfolgte
Z w e c k ist da schon längst egal, Hauptsache, die Sprachrege-
lung stimmt. Gleiches gilt für die innenpolitische Szene der
großen Demokratien. Die Selbstverständlichkeit einer imperiali-
stischen Zuständigkeit für jeden Fleck auf dem Globus, und zwar
nicht nur mit Almosen, sondern bei Bedarf auch mit Erpressung
vollstreckt, wird eben von jedem Demokraten geteilt. Und kein
aufrechter bundesdeutscher Apartheid-Gegner kriegt irgendwelche
Bedenken, wenn er ausgerechnet einen Genscher mit einer Änderung
der südafrikanischen Verhältnisse beauftragen möchte. Ob die
Schwarzen in der RSA auch nur irgendwie ahnen, daß ihr Bischof
Tutu genau dafür seinen Sprengstoff-Preis für den Frieden bekom-
men hat?!
Man muß schon ein ganz hartgesottener Fan der von den Buren ge-
schaffenen Ordnung in Südafrika sein und "demokratische Reife"
als Rassenmerkmal durchschaut haben, das dem schwarzhäutigen
Völkchen abgeht: also ein so "hervorragender Afrika-Kenner" wie
Franz Josef Strauß, um im berechnenden Lärm der demokratischen
Welt um Südafrikas innere Ordnung eine Gefahr für dieselbe zu
entdecken. Während die Diplomatie sich weltweit auf dem demokra-
tie-idealistische Sprachregelungen für die bevorstehenden Korrek-
turen am Partner RSA geeinigt hat, will die CSU die bundesdeut-
sche Konkurrenz um einen vorrangigen Zugriff gerade mit dem Af-
front gegen die offene und unverhohlene Heuchelei der Diplomatie
bestritten haben. Strauß' Pech, daß daraus nur eine Konkurrenz
innerhalb der Koalition um die interessante Streitfrage geworden
ist, wie man den Bundesdeutschen am besten den Imperialismus ih-
rer Nation verkauft. Da immerhin ist ihm Erfolg zu bescheinigen.
Daß demokratische Ideale und schon gleich eine daraus abgeleitete
Kritik in der Außenpolitik nichts zu suchen haben, weil dort das
nationale Interesse zählt und sonst nichts: Das hat Strauß mit
Vehemenz klargestellt, und das kritisiert niemand. Gute Demokra-
ten widmen sich längst dem Genuß des Intrigenspiels, das der Mei-
ster aus Bayern da mal wieder gegen Genscher und Kohl angezettelt
hat...
Wenigstens das Eine ist klar: Genau das hat den Negern in Süd-
afrika gefehlt!
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Südafrikas westliche Handelspartner
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