Quelle: Archiv MG - AFRIKA RSA - Republik Südafrika


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       MSZ 4/84
       
       Korrespondenz
       

'WIE SICH AUCH EINE DEMOKRATIE SCHÜTZEN SOLL'

Geschätzte MSZler, bezüglich eurer Geheimdienst-Story "Wozu braucht die Demokratie Spitzel und Spione" in Nr. 3 vom März macht ihr es euch wieder einmal recht einfach. Einmal ganz abgesehen davon, daß ihr alle drei Dienste der Bundesrepublik ohne auch nur den Versuch einer faktenmäßigen Belegung als Spitzel- und "Gesinnungsschnüffler" pauschal abqualifiziert, wird nicht einmal die Frage aufgeworfen, wie sich denn auch eine Demokratie schützen soll. Auch ich habe nichts übrig für die akribische Bürgerausspionierung, die mit dem Radikalenerlaß einherging und einhergeht. Aber andererseits möchte ich als "Untertan" zumindest in zwei Bereichen auf den Schutz dieser "Staatsorgane" nicht verzichten: 1. Mit dem T e r r o r i s m u s haben Verfassungsschutz und BKA in Deutschland Schluß gemacht. Angesichts der immer blindwü- tiger um sich schießenden RAF und "Revolutionären Zellen" ist mir ganz persönlich bei dem Gedanken wohler, daß solche "Umtriebe" bereits im "Vorfeld" unterbunden werden. 2. Auch ihr könnt doch nichts Ernsthaftes dagegen haben, daß dem T e r r o r i s m u s / E x t r e m i s m u s v o n r e c h t s entschiedener begegnet wird, als dies vergleichsweise in der Wei- marer Republik der Fall gewesen ist. Rückblickend erscheint mir ein Berufsverbot vor 1933 für Nazis, die ja allesamt Zugang zum Staatsdienst hatten, als das "kleinere Übel" verglichen mit dem, was dann über Deutschland (und die Welt!) gekommen ist. Was die "Aktivitäten" des BND im Ausland betrifft, so gefallen sie mir auch nicht. Aber es ist doch nicht zu leugnen, daß es bei uns nur so wimmelt von Agenten der anderen Seite und daß die Me- thoden östlicher "Nachrichtendienste" keinesfalls zimperlicher sind als die ihrer westlichen "Kollegen". Solange wir nicht zu Verhältnissen zwischen den Staaten kommen, unter denen beide Sei- ten auf Rechtsbrüche verzichten, werden wir wohl weiterhin mit "Spitzeln und Spionen" leben müssen, hüben und drüben. Nichts für ungut G. S., München Ein Bekenntnis zum sinnreichen Gebrauch der Staatsgewalt -------------------------------------------------------- Geschätzter MSZ-Leser, bezüglich Deiner Unzufriedenheit mit dem Geheimdienst-Artikel weisen wir jede Verantwortung zurück. Deine E n t t ä u- s c h u n g verdankt sich ausschließlich Deinen E r w a r- t u n g e n, und die entnehmen wir mit einigem Erstaunen Deinem Brief. Zunächst einmal fällt uns auf, daß die Beantwortung der Frage, wozu die Demokratie Spitzel und Spione unterhält, dem Bedürfnis nach einer "Geheimdienst-Story" nicht gerecht wird. Dieses Be- dürfnis verlangt nach einer "faktenmäßigen Belegung" einer Ange- legenheit, die wahrlich hinreichend bekannt gemacht wird - in re- gelmäßigen Meldungen nicht nur des "SPIEGEL". Hätten wir aus den "Gesprächen" zitieren sollen, die zur Nicht-Einstellung in den Staatsdienst führen? Oder wäre eine unterhaltsame Darstellung aus einer mit Kamera und Mikrophon möblierten Wohnung recht gewesen, von der aus einige Wohnungen samt ihrem Publikumsverkehr akten- kundig gemacht werden? Hätte die spannende Schilderung eines An- werbungsversuchs von Informanten ihren Dienst getan? Oder die neulich anderweitig veröffentlichte Geschichte von der Karriere eines V-Mannes? Mag sein, daß dergleichen die Vorstellungskraft darüber beflü- gelt, wie ein Verfassungsschutzbericht oder auch eine öffentlich- keitswirksame Panne zustandekommen. Ganz bestimmt hätte aller- dings die Ausmalung der einschlägigen Praktiken nichts gegen die Liebe zur Demokratie ausgemacht, die deren Geheimdienste nicht "pauschal abqualifiziert" sehen will! Und was die Frage anlangt, "wie sich denn auch eine Demokratie schützen soll", müssen wir uns entschieden verteidigen. Erstens steht in unserem Artikel wörtlich: "Wie anders sollte man denn die Verfassung schützen?!" Zweitens meinen wir, daß damit keine Frage aufgeworfen wird, son- dern eine A n t w o r t formuliert ist: Genau so, wie sie es tut, so schützt sie sich, die Demokratie. Drittens aber entnehmen wir dem kleinen Wörtchen "auch" in Deiner Version die heiße Frage, daß Du nicht nur voll hinter dem Sollen stehst, sondern auch noch Deinen Auftrag an die Demokratie in ein gar nicht ori- ginelles Argument einkleidest. "Die anderen" machen den Dir ei- gentlich gar nicht angenehmen amtlichen Untergrund Deiner staat- lichen Heimstatt nötig, nicht wahr? Das gibt uns zu denken. Die demokratische Herrschaft mit ihren unschuldigen Zielsetzungen erscheint da - wie in Fragen des Welt- markts und der Raketen auch - schon wieder als O p f e r. E s r e a g i e r t notgedrungen mit eigentlich demokratiefremden Techniken der Gewalt auf die bösen Machenschaften der anderen, für deren agentenmäßiges Wimmeln "bei uns" die "faktenmäßige Be- legung" kein Problem ist. Dies ist ja das Schöne an dem Argument "wegen der anderen", das wir Dir und der Demokratie gerne glau- ben. W e g e n derer, die nicht parieren und auswärts gänzlich verkehrte Staatswesen unterhalten, sind in der Tat die Geheim- dienste der Demokratie in Betrieb. Nur fehlt bei dieser beliebten Auskunft der kleine Hinweis auf die A n l i e g e n der Demo- kratie, bei denen ihr nichts und niemand in die Quere kommen darf! W o b e i wollen sich regierende Demokraten denn weder daheim noch auswärts stören lassen? W o z u bräuchen sie denn ihre freie und gleiche Ermächtigung; was stellen sie denn alles an, wenn sie per Gewalt den Erfolg der Nation durchsetzen? Welche Sorte Reichtum lassen sie denn wachsen, und warum ist für seinen und der dazugehörigen Armut Schutz soviel "Staatssicherheit" not- wendig? Freilich sind das alles recht abwegige Fragen für jemanden, der erst einmal die Demokratie und ihre maßgeblichen Herrschaften mit einem dicken Plus versieht, um dann ganz unschuldig von jedermann die "Einsicht" einzuklagen, daß sich die Demokratie selbstver- ständlich schützen müsse! Allerdings, geschätzter MSZ-Leser, scheint Dir diese Elementar- form der Rechtfertigung noch nicht ganz zu genügen. Du geruhst auch noch zwei "Bereiche" anzuführen, wo der Schutz der Demokra- tie ausgerechnet Dir sichtlich zugute kommt. Zu 1.: Du hast ja so recht. Die Terroristen sterben langsam aus, wenngleich nicht durch die Tücken des Alters. Das hat für Dich den unsäglichen Vorteil, daß so bedeutsame Veranstaltungen des öffentlich-rechtlichen Personenkults wie der Wiener Opernball ganz ohne Bombendrohungen <?> ternde Zwischenfälle die sechseinhalb reaktionären Gemeinplätze der Republik als Humor verkaufen kann. Das muß Dir ebenso gut tun, wie es den restlichen Terroristen im "Vorfeld" leid tun wird - denn "Falsche" hätten sie ja dort - bei aller Blindwütigkeit - wohl nicht erreichen können, so wie wir ihre Unterscheidung von Gut und Böse kennen. Insofern liegst Du also vollkommen richtig, wenn Du annimmst, Deinetwegen wäre die GSG 9 erfunden worden. Deinetwegen gibt es ja auch ein paar Arbeitslose, demokratisch legitimierten Waffenhandel und ganz viele Freunde Deutschlands, Militärstaaten und Diktaturen, die im dritten Jahrzehnt in der Rückkehr zur Demokratie voranschreiten, mit DM und Gerät aus deutscher Wertarbeit. Da wirst Du doch Dein Mißfallen an Aktivitäten des BND zügeln können, wo Dir ansonsten bei der Besichtigung der bundesdeutschen Staatsgewalt "ganz persönlich" wohler ist! Zu 2.: Auch hier liegst Du völlig richtig. Der Erfolg des Fa- schismus kommt daher das sah schon Hitler so, und die demokrati- sche Faschismustheorie hat ihm darin nachträglich recht gegeben - daß die Demokratie zu schlapp mit ihren Insassen umgesprungen ist. "Wehrhaft" hätte sie sein sollen, die Führung der Weimarer Republik; dann hätte sie die Aktivisten der faschistischen Bewe- gung auf ihrer Seite gehabt statt zu Gegnern gemacht. Das wäre ein Fest gewesen - und die Opfer wie Mitläufer des Dritten Rei- ches wären in den Genuß gekommen, als D e m o k r a t e n einem starken Staat zu dienen. Dein Bekenntnis zum sinnreichen Gebrauch der S t a a t s g e- w a l t, vorgetragen als Bevorzugung des "kleineren Übels" einer Demokratie, die ihre Feinde erledigt, öffnet uns in jeder Hinsicht die Augen. Wer sich einmal dazu entschlossen hat, ausgerechnet den Sonderabteilungen der politischen Polizei das Kompliment zu machen, sie würden ihn vor östlichen Untaten genauso bewahren wie vor dem Übel des Faschismus, der verläßt sich nicht nur auf seinen Staat. Auf ihn kann sich auch umgekehrt sein Staat voll und ganz verlassen, wenn er im Namen der Demokratie einen Preis der Freiheit nach dem anderen einfordert. Nichts für ungut, MSZ-Redaktion zurück