Quelle: Archiv MG - AFRIKA LIBYEN - Weltterrorist Nr. 1?


       zurück

       MSZ 5/86
       
       US-Krieg gegen Libyen
       

DIE AMERIKANISCHE HERAUSFORDERUNG

"Wir... dürfen jenen nicht die Treue brechen, die auf allen Kon- tinenten, von Afghanistan bis Nicaragua ihr Leben riskieren, um einer von den Sowjets unterstützten Aggression trotzen und sich die Rechte zu sichern, die wir von Geburt an haben." (Reagan in seiner zweiten Antrittsrede) "Als sie (die Militärs) zu ihm kamen und fragten 'Ist Montag Nacht in Ordnung?', sagte er (Reagan) 'Fein, Montag Nacht ist okay.' Dieser Dialog fand statt, bevor Sonderbotschafter Walters zu Kon- sultationen nach Europa reiste und die Alliierten wenigstens psy- chologisch vorbereitete." (Frankfurter Allgemeine 17.4.) Keine Woche ist vergangen, und das bißchen öffentlich gepflegter Schein, der US-Angiff auf Libyen sei über die Köpfe der europäi- schen Verbündeten hinweg und mehr oder weniger gegen den erklär- ten Willen einer Mehrheit von ihnen erfolgt, ist verflogen. Na- türlich halten "Spiegel" und Konsorten auf ihre dümmlich-überheb- liche Tour daran fest, der Möchtegern-"Rambo" aus Washington habe mit seinem primitiven Weltbild und dem realitätsblinden Traum von amerikanischer Weltmacht mal wieder den Genscher und 'uns Euro- päer' überfahren, als er libysche Stadtviertel bombardieren ließ. Die maßgeblichen Politiker aber haben längst Freund und Feind wissen lassen, daß sie selbstverständlich Bescheid gewußt und ihr Einverständnis signalisiert haben - und daß sie sich auf gut eu- ropäisch bündnispartnerschaftliche Weise beteiligen an dem Pro- gramm, das unter dem Titel 'Bekämpfung des internationalen Terro- rismus' mit dem Schlag gegen Libyen erklärtermaßen erst seinen bescheidenen Anfang genommen hat. Der Beitrag Europas: Einen US-Krieg politisch Untermauern --------------------------------------------------------- "Strengste Einreisekontrollen, EG-weite Ausweisung von Verdächti- gen, Diplomaten eingeschlossen, konkrete Regeln für die polizei- liche Zusammenarbeit zwischen den Gemeinschaftsstaaten und die Unterbrechung öffentlich subventionierter Lebensmittellieferungen sind die Hauptpunkte einer dramatischen Warnung, die von den zwölf Außenministern insbesondere an Libyen, aber darüber hinaus ausdrücklich an alle Länder gerichtet worden ist, von denen Ter- rorakte ausgehen." (Süddeutsche Zeitung, 22.4.) "Einen Tag nach den Beschlüssen der EG-Außenminister: Großbritan- nien weist 21 Libyer aus / Haftbefehle in Italien gegen zwei Di- plomaten / Staatsanwaltschaft in Rom: Die beiden früher im 'Volksbüro' beschäftigten Libyer planten die Ermordung der Bot- schafter Ägyptens, der USA und Saudi-Arabiens"; "Bonn leitet Sanktionen gegen Libyen ein. 'Volksbüro' muß mit Ausweisungen rechnen / Zimmermann für 'Sicherheitsattaches'" (Süddeutsche Zei- tung, 23.4.) "USA haben keine Ausweisungspläne... habe man sich mit Rücksicht auf die Zeit nach dem libyschen Revolutionsführer Muammar Khad- hafi dagegen entschieden, sagte Whitehead. Sein Ministerium habe sich dabei von der Überlegung leiten lassen, daß es sich für die USA dann als nützlich erweisen könnte, wenn eine Anzahl libyscher Bürger aus erster Hand über Erfahrungen mit den Vereinigten Staa- ten verfügten." (Süddeutsche Zeitung, 23.4.) Von wegen europäische Distanz! Von wegen aber auch bloße Heuche- lei! Von Anfang an haben Bonn, Paris, London und Rom mit dafür gesorgt, daß das amerikanische Kriegsmanöver ein Erfolg wird. Das muntere Diplomatenausweisen hat in Paris und Bonn - England hat die ganze libysche Botschaft schon länger geschlossen - im Vor- feld angefangen, in demonstrativer Übereinstimmung mit der ameri- kanischen Interpretation libyscher Politik und der Forderung Rea- gans nach harten Gegenmaßnahmen. Im Bewußtsein, daß eine 'Straf'- Aktion gegen Libyen unmittelbar bevorstand, haben die EG-Minister den USA und damit der Staatenöffentlichkeit ihr Verständnis und das Interesse übermittelt, die "Terrorismusbekämpfung" für die g a n z e Staatenwelt zum verbindlichen Programm zu machen. An- schließend haben sie dann Gott und die Welt vor Kritik, Zwiespalt im Bündnis, "primitivem Antiamerikanismus" gewarnt und sich, as- sistiert von Washington, selber bezichtigt, den Kriegsakt durch allzuviel Z u r ü c k h a l t u n g gegenüber Libyen mitver- schuldet zu haben. Das macht man jetzt, so die offizielle Sprach- regelung, nachträglich wieder gut, indem man Libyen politisch den Kampf ansagt und damit dem eigenen diplomatischen Getue vorher den Charakter eines t a k t i s c h e n Manövers verleiht, das man sich nicht mehr leisten kann. Fleißig wird auch noch höchst- offiziell ausgestreut, man sei sich natürlich mit den USA prinzi- piell einig, ja, eher noch für einen wirklich erfolgreichen T o t a l s c h l a g gegen Gadafi gewesen. Das ist der offi- zielle 'differenzierte Pro-amerikanismus'! Die europäischen Partner spielen glänzend ihre Doppelrolle als einige 'Europäische Gemeinschaft' mit verbindlichen Ratsbeschlüs- sen und als Konkurrenten mit ihren nationalen Differenzen über Fragen wie, ob nun Überflugrechte für F-111-Jäger, ein totaler Wirtschaftsboykott oder die Schließung der einschlägigen Bot- schaften oder mehr antiterroristische Zusammenarbeit mit den da- für geeigneten Nahost-Staaten das gebotene Heilmittel gegen den 'Terror' sei. Sie haben damit dem militärischen Schlag Washing- tons im Vorfeld und im Nachhinein eine dauerhafte und umfassende weltpolitische G r u n d l a g e verliehen, zu der sie sich be- kennen und auf die sie alle anderen Staaten verpflichten: Sie selber haben Libyen, bis auf einen allernötigsten personellen Rest, der die noch laufenden Beziehungen regeln soll, das Recht auf diplomatische Vertretung, also die politische A n e r- k e n n u n g gestrichen. Die inzwischen ja schon zur guten Gewohnheit gewordene 'Gleichsetzung von östlichen Diplomaten mit Spionen haben sie handgreiflich um eine neue Variante bereichert: D i p l o m a t e n = mögliche T e r r o r i s t e n. Für normale libysche Bürger im westlichen Ausland gilt die Gleichung sowieso, es sei denn, die USA sehen für sie eine Rolle bei politischen 'Wiederanfang' nach Gadafi vor, über den sie jetzt schon fleißig öffentlich spekulieren. Und während die vereinten Europäer noch die Wirkungen eines Wirtschaftsboykotts in Frage stellen und diskutieren, trocknen sie längst die auswärtigen li- byschen Geld- und Güterquellen aus. Darüberhinaus erfahren die einschlägigen Hintermänner - wer gemeint ist, ist zu Genüge be- kannt gemacht -, daß an Libyen keineswegs ein einmaliges Exempel statuiert, sondern eine generelle politische Linie durchgesetzt wird, mit der sie künftig auch von europäischer Seite zu rechnen haben. Andersherum wird der Anspruch, unliebsame Staaten für stö- rende Umtriebe nach Belieben haftbar zu machen, in ein großarti- ges Angebot an die 'arabischen Partner' übersetzt, sie könnten und sollten doch aktiv daran teilnehmen, störende arabisch-natio- nalistische Bestrebungen aufzuspüren und niederzumachen. Die europäischen Bündnispartner konkurrieren mit dem Vorgehen der USA und ergänzen es durch die Anstrengung, Libyen und seine vom Westen definierten Gesinnungsgenossen politisch zu i s o l i e- r e n und k l e i n z u m a c h e n. Und diese Anstrengungen gelten, wie sollte es anders sein, schon wieder als maßvoll bis untauglich, gemessen an dem Ideal einer blitzsauberen Beseitigung des 'Terrorismus', das sich mit Reagans 'Alleingang' so tief in jedem nationalistischen Gemüt festgesetzt hat. Im Frühjahr, als Reagan das Recht auf Bestrafung des Terrors auf die Tagesordnung und Libyen an die vorläufig erste Stelle setzte, hieß es in EG- Kreisen 'kein Boykott', und man stellte sich auf die Beschränkung der Geschäfte ein Im März verteidigte man das amerikanische Völkerrecht auf Manöver vor der libyschen Küste und hegte höchstens leise Zweifel, ob eine solche Machtdemonstration denn sein müsse. Jetzt will man den amerikanischen Angriff keinesfalls als e i n m a l i g e Aktion auf sich beruhen lassen, sondern liefert ihm einen d a u e r h a f t e n p o l i t i s c h e n U n t e r b a u und treibt in seinem Geiste e u r o p ä i- s c h e F e i n d d i p l o m a t i e. So machen sich die Bündnispartner zielstrebig und in der Absicht, ihre M i t z u s t ä n d i g k e i t für die Gestaltung der Weltlage wahrzunehmen - von wegen: sich notgedrungen anbequemen müssen! -, die politische Lagebeurteilung ihrer Führungsmacht samt den politischen Rezepten zu ihrer Bewältigung zueigen bzw. zunutze, und eine neue NATO-Linie samt den entsprechenden natio- nalistischen Beurteilungsmaßstäben gilt: Wer nicht für uns ist, gegen den gehen wir vor, und zwar gemeinsam. Der Fall Libyen: Ein Krieg wird inszeniert ------------------------------------------ "Die Regierung der USA hat nach einem Bericht des Magazins News- week einen Sechs-Punkte-Plan entwickelt, um Khadhafi politisch, militärisch und wirtschaftlich zu isolieren. ... sollen die Maß- nahmen ein militärisches Eingreifen vorbereiten. Ausgangspunkt der Überlegungen sei ein angenommener Schlag Khadhafis gegen ame- rikanische Bürger. Ein Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates formulierte laut Newsweek folgende Punkte: - Auf internationaler Ebene und in Amerika wird ein Konsensus über die Verurteilung Khadhafis erreicht; - die Verbündeten beteiligen sich an den Aktionen gegen Libyen. Sollten etwa Frankreich und Belgien ausscheren, so könnte die Lieferung von Rüstungsgütern eingestellt werden; - Wirtschaftsmaßnahmen sollen die Absatzprobleme für libysches Erdöl verschärfen; - ein vier Jahre altes CIA-Programm zur Erkennung, Finanzierung und Ermunterung von Gegnern Khadhafis wird verstärkt vorangetrie- ben; - libysche Kommandounternehmen werden mit Hilfe der Verbündeten durch gezielte Beobachtung der Diplomaten und Agenten Libyens neutralisiert; - Militäraktionen werden vorbereitet. Newsweek schreibt, daß sich die Befürworter einer Aktion gegen Libyen dafür aussprächen, diese innerhalb der nächsten sechs bis neun Monate durchzuführen. Nach dieser Frist werde der Zorn der öffentlichen Meinung gegen Libyen deutlich abgeflaut sein." (Süddeutsche Zeitung, 14. Januar) Keine vier Monate haben sie gebraucht, um dieses Programm in et- was geänderter Reihenfolge in die Tat umzusetzen; der Zorn der öffentlichen Meinung gegen Libyen ist derweil deutlich gestiegen, ihr bißchen Kritik an den amerikanischen Methoden deutlich abgef- laut. Statt dessen hat sich die Mehrheit den Verschied zwischen t e r r o r i s t i s c h e n Anschlägen und generalstabsmäßigen m i l i t ä r i s c h e n 'Strafaktionen' schwer zu Herzen ge- nommen und beteiligt sich am internationalen Weltsäuberungswahn. Dem Zufall, den palästinensischen politischen Neigungen oder gar Lust und Laune von Gadafi haben es die Planer um Reagan nicht überlassen, Libyen zum Objekt der beabsichtigten 'Terrorismus'- Bekämpfung zu machen. Sie haben sich die A n l ä s s e selber i n s z e n i e r t, an denen sich das eigene Recht auf die Be- seitigung Gadafis und die Entschlossenheit, dieses Recht zu exe- kutieren, schlagend beweisen ließ: Der Wille, eine störende Macht auszuräumen, stand und steht fest; der Rest ist eine Frage der Methode, der M e t h o d e e r f o l g r e i c h e r E s k a- l a t i o n: - Das I n t e r e s s e a n e i n e r E n d a b r e c h- n u n g mit dem Störenfried wird bei erstbester Gelegenheit wieder einmal und erkennbar nachdrücklicher öffentlich gemacht. Damit steht die Sichtweise fest, man hätte bisher durch 'Nichtstun' und 'Hilflosigkeit' den Feind hochkommen lassen. Mit der Ankündigung kommender Vergeltungsmaßnahmen erlegt man sich einen neuen G l a u b w ü r d i g k e i t s m a ß s t a b auf und läßt sich künftig daran messen. - Die B e e n d i g u n g d i p l o m a t i s c h e r B e- z i e h u n g e n und ein W i r t s c h a f t s b o y k o t t zeugen dann gleichermaßen von der Entschlossenheit, "Maßnahmen zu ergreifen", und von deren beschränktem, ziemlich nutzlosen Charakter; zumal die Bündnispartner noch eigene diplomatische und geschäftliche Berechnungen anstellen. Das kann nicht so bleiben. - Zum Beweis, daß international die eigene Macht auch ihr gutes Recht ist, veranstaltet man im beanspruchten Hoheitsgebiet des absolut unterlegenen Feindes einen mittleren Kriegsaufmarsch und beantwortet die absehbare mehr symbolische Reaktion auf dieses 'friedliche Manöver' mit einem präzisen Kriegsschlag gegen das feindliche Militär. Dazu läßt man verlauten, man habe in weiser Zurückhaltung und wohlbegrenzt sich eines Angriffs erwehrt, lasse sich von einem Verrückten die Freiheit der Meere nicht streitig machen und werde ihn für weitere Anschläge haftbar machen. - Die bleiben denn auch absehbarer Weise nicht aus, egal ob von Palästinensern, im libyschen Auftrag oder wie sonst veranstaltet. Also fliegt man nach entsprechender Vorankündigung und militäri- scher sowie politischer Absicherung einen gezielten A n- g r i f f g e g e n d e n O b e r t e r r o r i s t e n sel- ber; zeigt sich zufrieden über die persönliche Vergeltung; gibt bekannt, man habe P u t s c h a b s i c h t e n befördern und die Verwundbarkeit Gadafis demonstrieren wollen; und man weist sowjetische 'Verstimmung' mit dem Hinweis zurück: "Wir haben den Sowjets ja im voraus gesagt, daß wir zuverlässige Beweise hatten." - Damit ein für allemal klar ist, wie es weitergehen soll, äußert man sich über die Unterstützung lobend bzw. beschwert sich über Zurückhaltung und "moralische Abrüstung" bei den P a r t- n e r n, ruft zum "wirtschaftlich wirksamen Boykott" auf: "Der Angriff ist erfolgt, weil wirtschaftliche Maßnahmen in dieser Situation nicht schnell genug gewirkt hätten". Die US-Regierung versichert, daß ihre Streitkräfte vor Libyen präsent bleiben und 'Gegenangriffe' sofort beantworten würden; es werde keinen "Vergeltungsautomatismus" geben, aber bei jeder passenden Gele- genheit werde rücksichtslos auf weitere Terrorakte reagiert. Es wird also diese Sorte Kriegführung ohne Zögern eskaliert. So ist über Libyen der p o l i t i s c h e, w i r t s c h a f t l i- c h e u n d m i l i t ä r i s c h e B e l a g e r u n g s z u- s t a n d verhängt. - Damit die G e s a m t p e r s p e k t i v e nicht verloren- geht, verkündet Reagan, kaum sind die Bomben im Ziel, dies sei nur ein e r s t e r k l e i n e r S c h r i t t in einem großen Programm zur Befriedung der Welt - und gibt zu Protokoll, daß Nicaragua genauso behandelt gehört wie Libyen und daß übri- gens Syrien - von den europäischen Ratgebern immerzu als Beispiel für opportunistischerweise nicht bestraften Terrorismus ins Ge- spräch gebracht - und Iran als nächste Todeskandidaten auf der Liste stehen. K r i e g s d i p l o m a t i e geht eben so: Die gewaltsame Veränderung der Lage und die Aufforderung, sich darauf einzustel- len, wechseln einander ab. Diese Politik verfolgen die USA welt- weit. Der Titel der sie zum guten Recht macht und gemäß dem sie inszeniert wird, heißt "Kampf gegen den Internationalen Terroris- mus". Und nicht nur die amerikanische Nation ist sich einig, daß es dabei um letzte unveräußerliche Rechte des freien Westens geht, die es zu verteidigen gilt. Um jeden Preis. Das Recht der Weltmacht: Grenzenlose Selbstverteidigung ------------------------------------------------------- "Vor ein paar Wochen, in New Orleans, warnte ich Oberst Ghaddafi, daß wir sein Regime für jegliche neue terroristische Attacke ge- gen amerikanische Bürger haftbar machen würden... Trotz unserer wiederholten Warnungen setzte Ghaddafi seine rücksichtslose Poli- tik der Einschüchterung, seinen unerbittlichen Terror fort. Er setzte darauf, daß Amerika passiv bleibt. Er hat sich verrech- net... Jahrelang erlitt er... keine wirtschaftliche, politische und militärische Sanktion. Und die Zahl der Abscheulichkeiten steigerte sich sowie die Zahl von unschuldig Getöteten und Ver- letzten. Und wenn wir durch Nichtstun das Töten von amerikani- schen Zivilisten und amerikanischen Soldaten ignorieren, sei es in Nachtklubs oder in Flughafenhallen, steht das einfach nicht in Einklang mit der amerikanischen Tradition. Wenn unsere Staatsbür- ger auf direkte Anordnung eines feindlichen Regimes irgendwo in der Welt mißhandelt oder angegriffen werden, werden wir antwor- ten, solange ich in diesem Oval Office sitze. Selbstverteidigung ist nicht nur unser Recht, sie ist unsere Pflicht... diese Mis- sion, gewalttätig, wie sie war, wird eine sicherere Welt für an- ständige Männer und Frauen näherbringen. Wir werden standhaft bleiben." (Reagan in seiner Fernsehansprache nach dem Luftangriff auf Tripolis und Bengasi) "Wer Gewalt predigt, muß damit rechnen, daß sich die Betroffenen wehren." (Bundeskanzler Kohl in seiner Regierungserklärung zum amerikanischen Luftangriff auf Tripolis und Bengasi) Zivilisierte Staaten kleiden den Beschluß, einen anderen Staat mit Krieg zu überziehen, in die E h r e n t i t e l v e r l e t z t e r S o u v e r ä n i t ä t. Ihre ihnen zuste- hende Hoheit, das Recht auf Außenpolitik, so wie sie es begrei- fen, wird bestritten, also verteidigen sie sich, die Freiheit, die Zivilisation, das Abendland, oder auch einfach die nationale Ehre. Für ihre aktuellen außenpolitischen Ansprüche und Übergänge hat die amerikanische Regierung die völkerrechtliche Sprachrege- lung mitgeliefert: K a m p f d e m 'i n t e r n a t i o n a- l e n T e r r o r i s m u s'. D i e s e G l e i c h s e t- z u n g v o n P o l i t i k m i t V e r b r e c h e n s- b e k ä m p f u n g i s t e i n e r s e i t s e i n e p r o p a g a n d i s t i s c h e L ü g e. Weder handelt es sich bei den Gemeinten um normale Gesetzesbrecher, noch sollen Opfer vermieden werden, und schon gar nicht geht es um Rechtspre- chung und Rechtsvollzug, also die Gewaltausübung einer politi- schen Herrschaft über ihre Untertanen. Auch geht es nicht darum, daß ein Souverän gegen gewaltsame Kritiker im Inneren sein Ge- waltmonopol für gefährdet erklärt und entsprechend rücksichtslos geltend macht, wie das die Bundesrepublik so schlagend an der RAF vorexerziert hat. Andererseits ist es keine bloße Ideologie, wenn der amerikanische Präsident das i n n e n p o l i t i s c h e Bild von einer bedrohten Ordnung und ihrer polizeilichen Wiederherstellung in die w e l t p o l i t i s c h e L a g e- b e u r t e i l u n g einführt, sondern ein ernstgemeintes Bild für seine U n z u f r i e d e n h e i t mit dem Rest der Staatenwelt. Daß Reagan es genauso ernst meint, wie er es sagt, hat er schließlich nicht nur immer wieder beteuert, sondern auch zu Genüge bewiesen. Die gesamte westliche Welt gibt ihm ja auch darin recht, daß es gegenwärtig um die Erledigung terroristischer Umtriebe ginge, und übersetzt gelehrig jeden Anschlag in Berlin und anderswo in Gadafi und Co. Man mag die behaupteten Beweise für die libysche Urheberschaft glauben oder nicht - Beweise für den Tatbestand "internationaler Terrorismus" werden sie nur, dann aber auch über jede kriminali- stische Indizienkette hinaus, wenn man den A n s p r u c h t e i l t, daß die weltpolitischen Umtriebe der USA, der BRD, Israels... i n t e r n a t i o n a l g e l t e n d e s R e c h t sind. Dieses Recht ist dann in jedem noch so ohnmäch- tigen Anschlag auf Bürger oder Einrichtungen des eigenen Staates prinzipiell in Frage gestellt, und die Ermittlung des Täters er- folgt nach dem Kriterium: Wer könnte uns da schaden wollen? Damit ist eine friedensgemäße b e r e c h n e n d e Betrachtungsweise der internationalen Beziehungen a u f g e k ü n d i g t, in de- nen es ansonsten um wohlabzuwägende Dinge wie Handel und Wandel zu nationalem Vorteil, diplomatische Erpressungsmanöver, bessere und schlechtere Beziehungen, mehr oder weniger politischen Ein- fluß geht, also immer bedingter Respekt vor der Souveränität kon- kurrierender Gewalten gezollt wird. Gegenwärtig definiert der freie Westen, allen voran die USA, dagegen die ganze internatio- nale Staatenwelt als Teil einer gültigen und rechtmäßigen Ord- nung, für die er selber einsteht und für deren weltweite Gültig- keit und Anerkennung er allein bürgt und zwar durch sein weltweit zu vollstreckendes G e w a l t m o n o p o l. Gemessen an die- sem Anspruch, Weltpolitik sollte sich als W e l t i n n e n- p o l i t i k des Westens in Nahost und anderswo abspielen, stellt sich die tatsächliche Lage - schließlich versagt sich ein ganzer Ostblock und eine Anzahl anderer Länder dieser Sicht der Dinge als ein einziger Verstoß gegen geltendes Recht und A n g r i f f a u f e i n e b e s t e h e n d e O r d n u n g dar. Die Anschläge palästinensischer Kommandos, die antiimperialisti- schen Taten Gadafis, die Gegenwehr der Sandinisten gegen die Contras, die sowjetischen Beziehungen zu solchen Ländern fallen da in eins: Sie sind Momente einer i n t e r n a t i o n a l e n V e r s c h w ö r u n g gegen Recht und Gesetz, also gegen ihre Garanten in Washington und anderswo; Teil einer umfassenden Be- drohung der westlichen Welt, der man entschlossen entgegentreten muß. So lächerlich sich diese Verschwörungstheorie im Lichte der Beweise ausnimmt, die da von 'La Belle' bis zu 'Panam' aufgefah- ren werden und auf die die Weltmacht nicht verzichten will, so konsequent wird diese Logik gegenwärtig politisch zu Ende ge- dacht: Die USA und ihre Verbündeten definieren sich als O p f e r einer Gewalt, die ihre Ordnung zu untergraben, ihren Bestand zu erschüttern, sie zu erpressen sucht - einfach dadurch, daß sie sich dem westlichen M o n o p o l auf Gewalt nicht fügt. Die USA zuvörderst sehen und erklären sich dem weltweiten Versuch ausgesetzt, mit Anschlägen ihr R e c h t u n d i h r e M o r a l zu treffen; sie wollen sich h e r a u s g e f o r- d e r t fühlen, beanspruchen also ein weltweites R e c h t a u f r ü c k s i c h t s l o s e S e l b s t v e r t e i d i- g u n g. Der G e h e i m d i e n s t s t a n d p u n k t wird zur offiziellen D o k t r i n und zu Rechtsstandpunkt der Außenpolitik. Das Szenario mit einem unfaßbaren Gegner, der überall und jeder- zeit gegen Amerika und die Freiheit zuzuschlagen droht, mag Freunden politischer Berechnungskunst ebenso primitiv vorkommen wie die Charakterkunde, gemäß der dem u n f a ß b a r e n S u b j e k t "Weltterrorismus" Gestalt verliehen wird in D r a h t z i e h e r n u n d H i n t e r m ä n n e r n. Bloß, so einfach und primitiv geht es nun einmal zu, wenn die Hüter von Freiheit und Demokratie nur noch das P r i n z i p i h r e r w e l t w e i t e n Z u s t ä n d i g k e i t u n d S o u v e- r ä n i t ä t verteidigen, also Politikern, die sich dem nicht anbequemen wollen, prinzipiell jedes Recht und die Qualifikation 'Politiker' absprechen. Die negativen Ehrentitel für Gadafi (aus Hitlers Kriegspropaganda für ein benachteiligtes Deutsches Reich gegen die Verschwörung des bolschewistischen Judentums und der bürgerlichen Demokratien ebenso vertraut wie aus der entsprechenden Gegenpropaganda und Geschichtsbeurteilung, die ihm oder auch Stalin zuteil geworden sind): "unberechenbar", "feige", "schlimmer als Hitler und Stalin", "tollwütiger Hund" - diese undiplomatischen Charakterisierungen als "Verbrecher" haben d i p l o m a t i s c h e A u s s a g e k r a f t, genauso wie der Terrorismusvorwurf. So kommt eine K r i e g s e r k l ä- r u n g daher, die sich F o r m u n d R e s p e k t einer förmlichen Kriegserklärung s c h e n k t, weil sie abweichende Politik als Verbrechen an der eigenen Ordnung bekämpft. Auf der anderen Seite verbietet sich gegenüber diesem Standpunkt internationaler Verbrechensbekämpfung die kleinliche Frage, wel- che b e r e c h e n b a r e n Vorteile, womöglich gar bezüglich der Verhinderung von Anschlägen auf westliche Bürger, kriegeri- sche Aktionen denn wohl bringen könnten. Der Leidtragende solcher "Strafaktionen" ist ja auch gar nicht dieses oder jenes 'Kommando', sondern der S t a a t, den sich die USA jeweils als H a u p t s t ö r e n f r i e d d e f i n i e r e n. Entspre- chend dem Ernst, mit dem sich die Weltmacht überall angegriffen sehen will, wo nicht freedom und democracy die Leitsterne treuen Vasallentums sind, reicht die Liste von Nicaragua, Syrien, Libyen bis zum Hinter-Hintermann und eigentlichen Subjekt: Moskau. Ande- rerseits gehört es zu den diplomatischen Feinheiten dieser Umdeu- tung des Ost-West-Gegensatzes, daß sie für die T a k t i k der eigenen Kriegsmanöver gegen die Sowjetunion einigen Definitions- spielraum bietet. Man führt Krieg und nennt es doch offiziell nicht so, man zielt auf den Ostblock und nimmt ihn zugleich aus, man fährt seine Armada auf, bricht diplomatische Beziehungen ab und wirft Bomben wegen antiwestlicher Unbotmäßigkeit und legt gleichzeitig der Sowjetunion die Auffassung nahe, das sei auch in ihrem Interesse; und vor allem: Man buchstabiert es immer wieder auch genau andersherum, deutet auf die Weltzentrale des Terroris- mus im Osten, bedeutet ihr also, daß sie gemeint ist und daß man Schritt für Schritt unterhalb der Weltkriegsschwelle mit allen Mitteln, die man dem internationalen Terrorismus zuschreibt, ge- gen sie vorzugehen gewillt ist: mit Kriegsaktionen, Bürgerkrieg, Anschlägen, Umstürzen, ökonomischer Schädigung, diplomatischer Bloßstellung. Siehe Nicaragua, Afghanistan und siehe Libyen! Die amerikanische Strategie: Ein Krieg an vielen Fronten -------------------------------------------------------- "US-Präsident Ronald Reagan hat in den vergangenen Wochen keine Gelegenheit ausgelassen, um - bildlich gesprochen - dem sowjeti- schen Parteichef Michail Gorbatschow und dessen Freunden außer- halb der UdSSR kräftig vors Schienbein zu treten. Reagan hat un- ter anderem - den Kreml aufgefordert, sein Personal bei der UNO in den näch- sten zwei Jahren um 40 Prozent zu verringern. Begründung: Viele UdSSR-Diplomaten seien im Grunde Spione. - Libyens Muammar el Gaddafi, einen langjährigen Verbündeten Mos- kaus, mit einer begrenzten Militäraktion im Golf von Syrte für dessen Unterstützung des Terrorismus 'bestraft'. - versucht, den Moskau-orientierten Sandinisten Nicaraguas weiter das Wasser abzugraben und den gegen sie kämpfenden Contras US-Mi- litärhilfe in bisher nie gekanntem Umfang zu verschaffen. - sich nach offiziell nicht bestätigten Berichten entschlossen, den Mudschaheddin in Afghanistan, die sich gegen die sowjetischen Besatzer auflehnen, und den gegen die marxistische Regierung kämpfenden UNITA-Rebellen in Angola erstmals hochmoderne amerika- nische Waffen zu liefern. Es handelt sich dabei um tragbare Luft- abwehrraketen des Typs 'Stinger', gegen die sowjetische Hub- schrauber kein leichtes Leben mehr haben dürften. - Getreu seiner schon beim Genfer Gipfel vertretenen Linie hat sich Reagan trotz heftigen Moskauer Drängens außerdem geweigert, von den Plänen für eine Raketenabwehr im Weltraum (SDI) auch nur einen Millimeter abzuweichen: Außerdem hat der Präsident alle Vorschläge Gorbatschows, sich dem sowjetischen Atomstop anzu- schließen, abgelehnt." (Weser-Kurier, 3.4.) Statt dessen vielmehr Atomversuche durchgeführt, in sowjetischen Schwarzmeer-Hoheitsgewässern mit Kriegsschiffen die feindlichen Reaktionen getestet und das extra undiplomatisch als gutes Recht ausgegeben; die Sache mit dem "Reich des Bösen" und seinem Ver- schwinden bekräftigt, in Libyen erneut zugeschlagen, künftige Vergeltungsaktionen angekündigt... kurz: "Bleibt zum Schluß die Frage, was hinter Reagans Verhalten gegen- über dem Kreml steckt..." (Weser-Kurier, 3.4.) Was mag er bloß vorhaben, der Gute? Sollte 'dpa' wirklich nicht wissen, wofür immer mehr Waffen in der Hand von antisowjetischen Kämpfern an der Südflanke der Sowjetunion gut sind? Wofür eine westliche Weltmacht Bomben auf ein Regime wirft, das es der Rus- senfreundschaft verdächtigt? Was eine Diplomatie soll, die nichts anderes mehr bekundet als die Entschlossenheit, bedingungslos zu rüsten, und keine Gelegenheit zum diplomatischen Affront ausläßt? Über den Standpunkt, es müsse doch einen greifbaren normalen di- plomatischen Vorteil, irgendeine Berechnung auf zählbaren ökono- mischen oder politischen Ertrag geben - über diesen f r i e d e n s m ä ß i g e n Umgang mit dem Feind, von dem aus hier betont verständnislos nach Reagans geheimen 'Motiven' ge- forscht wird, ist eine solche Politik allerdings längst hinaus. Sie läßt sich genau umgekehrt davon leiten, daß die amerikanische Weltmacht und der gesamte Westen mit einem Gegenüber konfrontiert ist, der jeden 'normalen' Umgang unmöglich und gefährlich macht. Es ist ja auch überhaupt nicht neu, daß die Verteidiger der Frei- heit den Weltfrieden als einen dauerhaften K r i e g s z u- s t a n d definieren, in dem sie sich befinden. Geschäft und politisches Treiben sowohl untereinander wie mit der Gegenseite sind per NATO-Definition dem Zweck untergeordnet, sowjetische 'Aggression' zurückzuweisen. Neu ist es auch nicht, die eigenen ökonomischen Kräfte für das Ziel m i l i t ä r i s c h e r Ü b e r l e g e n h e i t einzuspannen und in den verschie- densten Weltgegenden den 'kalten Krieg' oder die 'Entspannung' durch begrenzte Kriege anzuheizen. Neu ist vielmehr, daß die amerikanische Politik unter Reagan die Berechnung früherer Zeiten eingestellt hat, man solle und könne angesichts einer vergleichbaren atomaren Schlagkraft der Sowjetunion diesen Gegner dadurch berechenbarer und weltpolitisch unschädlicher machen, daß man ihn bedingt respektiert und weltpolitisch um Einfluß konkurriert. Statt dessen setzt die amerikanische Weltmacht - mit ihrem wachsenden Waffengewicht und der weitgehenden Ausschaltung pro-sowjetischer oder auch nur blockfreier Ambitionen in den verschiedenen Weltgegenden selbstkritisch, weil anspruchsvoller geworden - jetzt nur noch auf E i n s c h ü c h t e r u n g. Dabei ist es keine 'Cowboy-Mentalität' und schon gar nicht bloße 'säbelrasselnde Rhetorik', wenn der US-Präsident seine Nation aufgerufen sieht, überall die Feindschaft anzutragen und dem so- wjetischen System überall die Feindschaft anzutragen. Noch dem hinterletzten geistigen Vertreter politischer Führungskunst sind bei seinem gespielten Unverständnis: 'Was will er nur?', seine geheuchelten Enttäuschung: 'So sind halt die Amis' oder Zustim- mung: 'Das Recht einer Weltmacht!' die einfachen Grundsätze nur zu vertraut, nach denen sich heutzutage NATO-Politik auf ihren letzten Ausgangspunkt und Zweck vorwärts- und zurückbesinnt: B e s t r e i t u n g s o w j e t i s c h e r P o l i t i k. S t r a t e g i s c h e s D e n k e n, der Standpunkt der militärischen Zusammenfassung und Anwendung aller Mittel, sowie der Zersetzung und Schwächung der gegnerischen Kräfte und Positionen, bestimmt die Diplomatie-, die Geschäftsbeziehungen - und die Kriege, die längst stattfinden. Ein Blick auf die Landkarte genügt, um einzusehen, daß alle amerikanischen Kriegsmaßnahmen von Nicaragua bis Libyen und Afghanistan strategischen Sinn machen: Sie sollen die eigenen Frontlinien sichern, vorhandene oder mögliche Stützpunkte des Weltgegners zerstören, seine Außenposten und eigenen Blockgrenzen aufweichen, schwächen und unbrauchbar machen. Das ist das ebenso einfache wie unerbittliche Rezept. Und danach sortiert sich die Weltlage ebenso einfach wie unerbittlich in strategische Räume, in denen Politik, Wirtschaft und Militär für diese Zwecke taugen oder aber erst noch tauglich gemacht werden müssen. Der mittelamerikanische 'Hinterhof' verträgt keine sandinistische Ausnahme zusätzlich zu Cuba mehr; das Mittelmeer als "weicher Unterleib Europas" und Aufmarschgebiet gegen die entscheidenden Zentren der Sowjetunion muß möglichst fest und küstenumgreifend in NATO-Hand sein; Afghanistan darf nicht zur Ruhe kommen... Dafür sorgen die politischen Strategen unter Führung der USA mit all ihren Mitteln konsequenterweise selber - und es liegt in der Logik dieser politischen Lagebeurteilung, daß außerhalb der gesicherten Länder, an den 'Krisenherden', die Mittel ökonomischer und politischer Erpressung immer nicht ausreichen, um einen zu- friedenstellenden Friedenszustand herzustellen, der für die ei- gene Front kriegstauglich ist. Die neue politische Berechnung, an die sich gerade die Verbünde- tenwelt und -öffentlichkeit so umstandslos gewöhnt, nimmt ihren Ausgangspunkt deshalb auch bei der amerikanischen Feststellung, daß ohne m i l i t ä r i s c h e Gewalt diese Sortierung nicht zu haben ist, mit militärischer Gewalt aber b e r e c h n e n d umgegangen werden muß. Die 'eigenen' Reihen sollen gewaltsam ge- schlossen, der Ostblock soll auf seine Grenzen zurückgedrängt werden; und zugleich wird der anderen Seite die Entscheidung auf- gezwungen, sich entweder z u r ü c k z u h a l t e n und als nicht betroffen zu definieren oder eine entscheidende Ausweitung des Konflikts zur unmittelbaren Konfrontation der Weltmächte zu riskieren. Unter der Federführung der USA führt der Westen also w e l t w e i t Krieg, aber als r e g i o n a l e Konflikte. Umgekehrt führt er die mit der Entschlossenheit eines weltpoliti- schen Ringens, versieht sie ständig mit den entsprechenden Bot- schaften und diplomatischen Ausdeutungen und zwingt damit die So- wjetunion zu einer Reaktion, die darüber Auskunft gibt, wie sie mit dem Angriff auf ihre Einflußsphären umzugehen gedenkt. Die NATO definiert mit begrenzten Kriegen ständig eine neue Weltlage und überläßt es bewußt provokativ den 'aggressiven Kremlzaren', sich an ihrer Entschiedenheit und Unberechenbarkeit abzuarbeiten. Die Eigentümlichkeit des Ost-West-Gegensatzes, daß die So- wjetunion in jedem Konfliktfall der eigentliche Adressat der Kon- frontation und zugleich das Hindernis ist, ihn umstandslos mit Gewalt zu lösen, ist so zur Grundlage einer offensiven westlichen Eindämmungsstrategie gemacht. Das berechnende 'Entgegenkommen', das die Sowjetunion bei den "Regionalkonflikten" noch genießt und das in der diplomatischen Ausdeutung und weltöffentlichen Propa- ganda zugleich ständig zurückgenommen wird, hat im Grunde nur noch die Frechheit zum Inhalt, sie bei dieser Auseinandersetzung als außenstehenden N i c h t b e t r o f f e n e n, also auch N i c h t e i n m i s c h u n g s b e r e c h t i g t e n zu be- handeln. In Form solcher Provokationen teilt die NATO dem War- schauer Pakt politisch mit, daß die Lage kriegsmäßig und kriegs- gemäß bereinigt werden soll. Der Osten soll vorerst "nur" ge- schwächt, begrenzt bekriegt werden, solange er sich das gefallen läßt. Mit der überlegenen Armada, die Reagan vor Libyen auffahren ließ, mit den ständig wachsenden Mitteln, die den Contras und den Re- bellen im Russen-'Hinterhof' zufließen, legt der Westen zugleich den Einstiegspreis für ein russisches Eingreifen bzw. die Kosten für russische Unterstützung oder auch für die Beendigung des afghanischen Dauerkriegs fest. Seine Kriegsführung macht er nicht nur für den absolut unterlegenen Gadafi, sondern auch für dessen denkbaren mächtigen Helfer u n k a l k u l i e r b a r und schwer angreifbar, indem er sich jederzeit neue Militärschläge vorbehält. Bisher hat diese Strategie jedenfalls Erfolg gehabt, nicht gegen das angeblich gemeinte internationale terroristische Anschlagswe- sen gegen unschuldige Amerikaner, wohl aber gegen die störende Macht Gadafis und gegen das bedingte sowjetische Interesse an ih- rer Erhaltung: Gorbatschow und seine Generäle sind jeder militä- rischen Konfrontation aus dem Wege gegangen. So ist es vorläufig erst einmal normal geworden, daß die USA im Umgang mit dem Osten demonstrativ den Krieg als diplomatisches Mittel einsetzen. Sie drängen die Sowjetunion zurück und verlangen Stillhalten. Für ge- nauso normal gilt es deshalb auch schon, daß der Fall Libyen auf der Tagesordnung bleibt, daß Reagan Nicaragua ein zweites Libyen nennt, also dazu machen wird, daß Grenada dagegen ein Kinderspiel war... Die deutsche Verantwortung für lauter Nachbarn ---------------------------------------------- "Es ist der Zeitpunkt gekommen, an dem sich die westlichen Demo- kratien nicht mehr alles gefallen lassen können." (Heiner Geiß- ler) "Wir werden nicht dulden, daß unsere amerikanischen Freunde und Alliierten aus unserem Lande hinausgebombt werden." (Helmut Kohl) "Europa muß in die Lage versetzt werden, sich außenpolitisch mehr internationales Gehör zu verschaffen; am heutigen Tage ist das besonders zu spüren." (Helmut Kohl) "Kriegsgefahr besteht nicht, aber die Lage im Mittelmeer ist ernst. Um so wichtiger ist eine entschlossene polizeiliche Zusam- menarbeit zur Bekämpfung des Terrorismus." (Hans-Dietrich Gen- scher) "...daß gerade im jetzigen Stadium neue Belastungen für die euro- päisch-amerikanischen Beziehungen vermieden werden müssen." (Hans-Dietrich Genscher) "Wir brauchen eine europäisch-arabische Konferenz zur Bekämpfung des Terrorismus. Die hervorragende Arbeit der GSG 9 wurde bisher nie angefordert..." (Wischnewski) "Uns Europäern ist aber auch in den letzten Tagen in drastischer Weise vor Augen geführt worden, wie wichtig es ist, das europäi- sche Gewicht und die Interessen dieses Kontinents im westlichen Bündnis verstärkt zur Geltung zu bringen. Die NATO muß auf zwei Säulen stehen: Amerika und Europa. Die Selbstbehauptung Europas gilt grundsätzlich und gerade auch in einer kritischen Situation wie der jetzigen." (SPD-Anzeige 'Den Frieden bewahren! Zusammen- stehen für Vernunft und Besonnenheit gegen Terror und Bomben.') "Der CSU-Vorsitzende Franz-Josef Strauß qualifizierte die Forde- rung von Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher nach einer politischen Beherrschung der Krise als 'Unredlichkeit' und 'Feigheit' ab. Genschers Politik sei so, als ob 'jemand Kukident gegen Beinbrüche empfiehlt.' ... Jetzt solle 'doch mal einer sa- gen, wie eine solche politische Lösung angesichts der gegebenen Tatsachen und der Person von Khadhafi aussehen soll'... Man müsse jetzt begreifen, 'daß wir uns leider in einem 'Kriegszustand' be- finden, in der Form eines neuen, nicht erklärten Krieges'." (Süddeutsche Zeitung, 21.4.) Nationalen Konsens gibt es also nicht nur in den USA. Die Lösung des bundesrepublikanischen Problems, daß von den USA die Unter- stützung und Beteiligung an Kriegsaktionen und Kriegsdiplomatie verlangt wird, ohne daß deshalb deutsche Politik und deutsches Militär mitbestimmend eingreifen sollen - diese Lösung ist längst gefunden. Und zwar jenseits des munteren Koalitions- und Partei- enstreits, wie sich ein mehr deutsch mitbestimmtes internationa- les Ordnungskonzept vorstellen ließe; jenseits der brennenden na- tionalen Frage, ob man durch demonstrative Zustimmung zur ameri- kanischen Gewaltaktion oder durch ganz eigenständige Modelle zur weltweiten Terrorismusbekämpfung an Profil gewinnt; jenseits der Oppositionsheuchelei und Wahlkampfrhetorik, Friedenspolitik sei immer noch ein urdeutsches und friedliches Anliegen - polizeilich gesprochen heißt dies 'Vernunft gegen den Terror'. Der allseits verlangte 'politische Dialog' ist längst im Gang und blamiert die immer noch so gern gepflegte Ideologie, die wirklichen materiel- len Interessen des bundesrepublikanischen Frontstaates würden im- mer noch und vor allem durch einen friedensgemäßen internationa- len Wirtschaftsfortschritt und das Eintreten für politische Mäßi- gung und für Diplomatie zufriedengestellt. Die neue Lage ist - dafür sorgen deutsche Politiker - längst eine, in der "wir" eine strategische Rolle spielen. Zum Beispiel durch die jüngsten Be- schlüsse gegen Libyen. Zum Beispiel aber auch durch unsere spe- zielle Verantwortung gegenüber den Juden und ihrem Staat im Nahen Osten. Wörner hat kürzlich als erster deutscher Verteidigungs- minister Israel besucht und neben manchen Waffengeschäften eine engere strategische Zusammenarbeit beim "gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus" vereinbart. Dabei hat er nicht bloß an 'GSG 9 international' gedacht. Er pries es als besonderen Vorzug dieses deutschen Vorzugspartners, "durch Kampferfahrung mit Syrien... als westlicher Staat unmit- telbare Informationen über die Fähigkeit sowjetischer Waffensy- steme zu besitzen" und diese Informationen den Verbündeten bereitwilliger mitzutei- len als die USA. Kurz vorher war auch Kanzlerkandidat Rau in Is- rael und versprach SPD-Hilfe im "schwierigen Friedensprozeß": "Es muß Kontakte im militärischen Bereich, einen regen Meinungs- und Gedankenaustausch geben." An Deutschlands jeweiliger weltpoliti- scher Verantwortung bei der Bekämpfung des Kommunismus und an Is- raels praktischer Kriegserfahrung auf diesem Gebiet und seiner ordnungspolitischen Bedeutung für den Nahen Osten, unserer Nach- barregion, kommt eben gerade jetzt kein deutscher Politiker vor- bei. Die Perspektiven hat Strauß mal wieder am direktesten ausge- sprochen. zurück