Quelle: Archiv MG - AFRIKA LIBYEN - Weltterrorist Nr. 1?


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       MSZ 2/82
       
       Gadafi
       

VOM UMGANG MIT DEM "WELTTERRORISTEN"

Zu dem Zeitpunkt, als die US-Regierung laut Überlegungen an- stellt, daß es langsam Zeit für "a second exercise" für Libyen sei, hat sich Muammar al-Gadafi, "überraschend selbst nach Wien eingeladen." Kreisky, als Souverän eines 'neutralen Landes', hätte sicher ablehnen können, wollte aber anscheinend nicht, und der Erfolg hat ihm offensichtlich recht gegeben, wie er hinterher in einem Fernsehinterview verkündet: Bedeutende Staatsmänner aus ganz Europa hätten ihn während des Besuchs antelefoniert, und ihm ihre spezifischen Anliegen für den illustren Gast übermittelt. Gelogen war daran sicher nur die zeitliche Reihenfolge. Schließ- lich hat Österreich vor und nach dem Besuch einen Berichterstat- ter nach Washington geschickt. Allerdings kann der österreichi- sche Bundeskanzler auf offizielle Billigung der Einladung des li- byschen Revolutionsführers nicht setzen. "Gadafis Österreichbesuch wird in Washington regierungsamtlich kühl als bilaterales Ereignis abgetan und nicht weiter kommen- tiert. Inoffiziell gibt aber die Erklärung der angesehenen 'Heritage Foundation' die Stimmung der Regierung wieder. In einer scharfen Stellungsnahme, die die Ansicht der Republikaner wider- spiegelt, heißt es, Österreich sei schlecht beraten, Gadafi ver- suche nur, Österreich in die angespannte wirtschaftliche und fi- nanzielle Lage Libyens hineinzuziehen." (Kurier, 12.3.82) Mögliche Erfolge eines solchen Besuches gelten dementsprechend als vollends absurd. "Als Beweis 'journalistischen Mutes' darf man den Kommentar des Nahostspezialisten Nußbaumer im 'Kurier' werten; er, versuchte, mögliche positive Auswirkungen des Besuchs herauszustreichen. Sie bestehen seiner Meinung nach darin, daß Gadafi auf diese Weise nicht vollends in die Hände des Ostens getrieben werde." (Neue Züricher Zeitung, 12.3.82) Durchaus erwägenswert sieht dieser Umstand von anderem nationalen Blickwinkel aus. "Eines ging aus den Gesprächen Gadafis und seines Außenministers al-Obeidi hervor: Libyen möchte sich nach dem Westen hin öffnen. Es hat offenbar Angst, durch die politische Isolierung, in die es geraten ist, und durch das Feindbild, das ihm die Vereinigten Staaten zumessen, der Sowjetunion in die Arme getrieben zu wer- den. Gadafi bekräftigte den "islamischen Charakter" seiner Poli- tik und der Staatsform in Libyen und wies darauf hin, daß es zwi- schen Islam und Kommunismus keine engeren Bindungen geben könne." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.3.82) Und die österreichische Berechtigung, einen solchen Gast geladen zu haben, will der 'Kurier' entdeckt haben. "Die Bonner Regierung denkt zwar derzeit nicht daran, der Vorrei- terrolle Kreiskys zu folgen und den Revolutionsführer einzuladen, aber die zurückhaltende Kommentierung bedeutet nicht, daß die Ge- spräche mit Gadafi mißbilligt werden ("Kreisky halt die Kastanien aus dem Feuer"). In offiziellen Kreisen zeigt man sich eher dar- über amüsiert, wieviel öffentliche Kritik er für diesen an sich nützlichen Kontakt in Kauf nimmt." Einen diplomatischen Durchbruch hat Gadafi damit nicht erzielt. Noch jeder entdeckt in der selbstentworfenen Parade-Uniform den Terroristen, der zur Bemäntelung seines Wesens noch dazu eigens Frau und Kind mitgebracht hat. Seit wann ist auch 'islamische Un- abhängigkeit' von Ländern wie Libyen, Syrien, Süd-Jemen oder Iran gefragt, die mit dem Westen ins Geschäft kommen wollen, gleich- zeitig aber mit der Sowjetunion Handel treiben, Waffen von ihr kaufen, freundschaftliche Abkommen mit ihr schließen oder gar ge- meinsame Militärmanöver mit ihr veranstalten. Für die USA sind Äußerungen der Art: "Ich habe große Hoffnungen auf eine frucht- bare Zusammenarbeit mit West-Europa." (Gadafi), keinerlei An- haltspunkt, Libyen von der Länderliste 'Unterstützer des interna- tionalen Terrorismus' (Aufsteiger des Monats: Cuba; Absteiger: Irak) zu streichen. Just zu seinem Auslandsbesuch verhängen die USA ein Embargo für libysches Öl und eine Exportsperre für US-Öl- und Gasfördergerät sowie hochtechnologisierte Produkte nach Li- byen. Das "Angebot" Libyens, sein Öl zu verkaufen und seine Pe- trodollars zu recyclen, wird in Dementierung der vor noch nicht allzu langer Zeit verbreiteten Lüge der Abhängigkeit von den Öl- staaten gar nicht als solches angesehen. Die Begründung aller- dings, der nordafrikanische Ölstaat sei "Opfer seiner eigenen Preispolitik" geworden, spielt nicht nur die Aufforderung des US- Präsidenten an amerikanische Ölgesellschaften, sich aus dem Li- byengeschäft zurückzuziehen, herunter, sondern tut auch so, als hätte jemals ein OPEC-Land den Ölkonzernen einen Preis und damit das Geschäft diktiert. "Seit den Überschußsituationen auf dem internationalen Ölmarkt ist an libyschem Öl ohnehin nichts mehr zu verdienen. Mit einer Forderung von 35,50 Dollar je barrel liegt der nordafrikanische Staat beispielsweise erheblich über dem Preis von Nordseeöl, das im Durchschnitt 31 Dollar je barrel kostet." Der Grund für die "Rentabilität" des Nordseeöls war der gestie- gene OPEC-Preis, der zu keinem Zeitpunkt ohne die Federführung der Ölkonzerne zustande gekommen ist; Nachfrage und Angebot auf diesem "Markt" haben ohnehin nur sie produziert, wie schon den Berichten über Aufstockung oder Abbau ihrer Lager zu entnehmen ist. "Sinkende Ölpreise" sind nur insofern ein ökonomisches Argu- ment, als das Kartell der 'Seven Sisters' seine jeweiligen Kalku- lationen anstellt, wo und wie Öl gefördert werden soll, und seine Preise entsprechend gestaltet. Als Ölmonopol haben sie sich ge- rade vorgenommen, alle Schwankungen der Nachfrage durch entspre- chende Preispolitik zu meistern. (Saublöd daher auch die momentan verbreitete Ideologie, die Verbraucher hätten das OPEC-Kartell in die Knie gezwungen) Die Chancen für Europa, die Geschäfte der abziehenden US-Firmen in Libyen zu übernehmen, sind also geschäftsmäßig gesehen sehr mäßige Aussichten, nicht weil Libyen als 'Falke' in der OPEC tra- ditionell höhere Preise für seine gefragte Qualität und kürzere Transportwege erzielt, sondern weil das bestehende Ölmonopol New- comern wie der bundesdeutschen VEBA mit niedrigen Preisen das Ge- schäft zur Zeit schwer und damit die Kalkulation der Staaten, was sie sich die "eigene Versorgung" durch ihre Staatskonzerne kosten lassen, wollen, unsicher macht - von der angekündigten politi- schen Unsicherheit ganz zu schweigen. Umgekehrt, wo klar ist, daß der Rotterdamer Spotmarkt kein Mittel für das Einkommen eines Öl- staates ist, der vielmehr auf die "Verteilerkanäle der großen amerikanischen Konzerne angewiesen ist", fällt infolge der stark reduzierten Ölausfuhren inzwischen auch ein Schatten auf das sich ausweitende Geschäft mit Europa mit der Rückführung der Ölgelder. 'Libyen vor Zahlungsbilanzschwierigkeiten' wissen die Wirt- schaftsseiten zu berichten. Und die neu aufgekommenen "Barter-Ge- schäfte" - Ware gegen Öl - werden ungern getätigt. Der Versuch Libyens, sein Image in Westeuropa, das es durch falsche amerika- nische Berichterstattung für bestimmt hält, aufzupolieren, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Denn Tätigung gedeihlicher Geschäfte und nationale Abhängigkeit von ihnen fallen nur für Libyen in der Frage des Öls zusammen. "Wenn die westeuropäischen Länder kein Erdöl bekommen, wird sich ihre wirtschaftliche Krise verschärfen." (Gadafi) Nach dieser Drohung, die angesichts der Absatzschwierigkeiten für libysches Erdöl eher eine leere ist, zeigte Gadafi noch einmal indirekt, wie sehr ihn der amerikanische Boykott getroffen haben dürfte: "Mein Land wird nie in die Knie gehen, selbst wenn wir hungern müssen." (Kurier, 13.3.82) Im Unterschied zum Wirtschaftsembargo gegen die Sowjetunion drän- gen allerdings die USA ihre europäischen Partner nicht, sich dem Boykott gegen Libyen anzuschließen, und haben auf ihre Weise ihr Einverständnis bekundet, Gadafi die von ihnen gegebenen 'Lek- tionen' auch diplomatisch nahe zu bringen. Kreisky durfte den selbständigen 'Vorreiter' spielen "Man wird ja nicht ernstlich annehmen, daß das, was uns da gele- gentlich aus Amerika gesagt wird, von vornherein der Weisheit letzter Schluß ist." (Kreisky, Die Zeit. 19.3.82) - und Gadafi diplomatisch weltpolitischen Anstand nahelegen, indem er den Terroristen bei der Hand nahm. Wie handzahm er sich bei allen Sprüchen, "daß die Machtpolitik der USA sogar mit der von Hitler verglichen werden kann", mit denen er sich beschwert, daß ihm nicht erlaubt wird, Politik im Stile der westlichen Demokratien machen zu dürfen, letztlich er- weist, dafür wollte Kreisky allerdings auch keine Garantie abge- ben. "Ich würde nicht sagen, daß es sich lohnt, auf ihn einzuwirken, weil er natürlich ein Mann ist mit sehr großem eigenen Willen. Im Gespräch mit mir hat er sich eigentlich so verhalten wie ein jun- ger Mann gegenüber einem sehr alten Mann, der schon lange im po- litischen Leben steht und zu dem er gewisses Vertrauen hat." Den Test, ob der Revolutionsführer seine Aufgaben in Wien über amerikanische Entschlossenheit und seine eigenen Möglichkeiten, sich mit dem Westen zu messen, gelernt hat, gedenken die USA wie- derum praktisch durchzuführen. Die 6. US-Flotte ist erneut zu Ma- növern in der großen Syrte ausgelaufen. zurück