Quelle: Archiv MG - AFRIKA ALLGEMEIN - Hungertod in 24 Staaten
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MSZ 5/80
Frankfurter Buchmesse 1980
AFRIKA IST EINE BUCHMESSE WERT
dachte die Leitung der Frankfurter Buchmesse, als sie nach einem
Schwerpunktthema für die diesjährige Messe suchte. Und wie es
sich für Leute gehört, die nicht einfach eine Messe, sprich Ge-
schäft, sondern ein kulturelles Ereignis arrangieren und daher
wissen, wie man heute als gebildeter Mensch über Afrika redet und
denkt, hatten sie den blendenden Einfall, "die Tendenz des soge-
nannten Nord-Süd-Dialogs einmal umzudrehen... und Afrika von sich
berichten zu lassen, über sein Denken, Leben und Schaffen, über
seine Probleme und Lösungsangebote." (Messedirektor Weidhaas) Als
wär's das größte Herzensanliegen des bundesdeutschen Geistesle-
bens, die afrikanische Kultur endlich mal zu Wort kommen zu las-
sen, fanden sie auch das richtige Motto: "Afrika - ein Kontinent
auf dem Weg zu sich selbst". Ja, ja, "wir" wissen, wo Afrika der
Schuh drückt!
Lernprozeß für aufgeklärte Rassisten
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Der kulturelle Erfolg der Messe war so gesichert. Bei der Frage
des finanziellen Erfolgs mit afrikanischer Literatur wurden die
Buchhändler etwas deutlicher: "Verlorene Entwicklungshilfe für
Buschliteratur!" Das sagt man aber nicht laut, wenn man ein fort-
schrittlicher Intellektueller sein will. Denn als solcher sieht
man es als seine Pflicht, die eigene Überlegenheit gegenüber
Afrika als ganz viel Verständnis für dessen "Identitäts-Probleme"
und ganz viel Respekt vor der - "doch" - allenthalben aufblühen-
den Kultur zu demonstrieren. Als renommierter Verlag muß man na-
türlich auch was für sein verkaufsförderndes Image tun.
Mit der Festrednerin Hamm-Brücher war ein guter Griff getan. Sie
weiß, wovon sie redet, wenn es um den "afrikanisch-europäischen
Kulturdialog" geht, hat sie doch in Afrika auf Staatsempfängen
schon einigen dutzend eingeborenen Würdenträgern die Hand ge-
schüttelt und Schulkinder getätschelt. Die Zuhörer waren daher
sehr angetan, als Ergebnis "meiner vierjährigen afrikanischen
Lehr- und Wanderjahre" zu hören, daß Afrika bei seiner
"Suche nach einer eigenen neuen Identität seinen Weg zu sich
selbst aus sich selbst suchen" muß.
Das hatten sie auch schon immer über Afrika gedacht, daß es sich
um eine "Identitätssuche" handelt, wenn die dortige Bevölkerung
in den wenig erfreulichen Lebensumständen, die das tatkräftige
Wirken der imperialistischen Staaten hervorbringt, zurechtkommen
muß, und daß, man da bei Gott nicht reinpfuschen darf, weil das
wäre eine Vergewaltigung der dortigen Menschennatur. Weil sich im
"afrikanisch-europäischen Kulturdialog" ein aufgeschlossener Ras-
sismus betätigt, betonte die Staatsministerin, daß man ganz
"ungehemmt offen" und "tolerant" die neuere afrikanische Litera-
tur doch auch als eine Leistung anerkennen müsse. Sie ist ein
"Ringen um Authentizität", also eigentlich - im Vergleich mit der
schönen eigenen Nationalliteratur - überhaupt keine gescheite
Kultur, aber gerade als solcher kann man ihr gönnerhaft eine Be-
deutung für die Darstellung der afrikanischen Nationen "im Auf-
bruch" zuschieben. Frau Hamm-Brücher ist in Afrika nicht nur ge-
wandert, sie hat auch einen "Lernprozeß" für "uns Europäer" ge-
macht, den sie ihrem gebildeten Publikum nicht vorenthalten
wollte:
"...trotz unserer materiellen Überlegenheit (sind wir)... in der
Begegnung mit Afrika zuweilen die Unwissenderen, die Ärmeren...
Denn die Afrikaner, denen wir im Kulturdialog begegnen, sind min-
destens in zwei Kulturen zu Hause - sie sind die kulturell Rei-
cheren."
Schön gesagt, Frau Brücher! Zwei ist mehr als eins, was man an
schwarzen Intellektuellen sieht, die mit ihrer afrikanischen Her-
kunft im Norden literarisch hausieren gehen.
Eine Herausforderung europäischer Kultur
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Das Publikum genoß die Leistung, den schwarzen Kontinent zu einem
Problem deutscher Intellektueller zu stilisieren:
"Haben wir unser Verhältnis zu den schwarzen Menschen Afrikas...
als ein Problem unserer Kultur erkannt?"
Mit dieser selbstkritischen Frage strafte die Frau alles Getue,
daß es sich bei der Problematik einer afrikanischen Kultur um
eine Lebensfrage der dortigen Nationen und Völker handeln würde,
Lügen. Ein interessantes Problem für deutsche Intellektuelle, die
sich darin gefallen, sich furchtbar zerknirscht "weißen Hochmut",
"kulturellen Neokolonialismus" vorzuwerfen und sich wechselseitig
zu bestätigen, daß s i e schon allemal darüber hinaus sind. Als
problembewußte Avantgarde lesen diese Leute auch noch lange nicht
irgendeinen Schinken eines afrikanischen Schriftstellers, und
wenn doch, dann sicher nicht, weil er ihnen gefällt. Wie wahnsin-
nig geistreich, viel oder wenig "Authentizität" zu entdecken! Den
größten Fehler begeht ein afrikanischer Autor, wenn sein Roman in
New York spielt, denn: "Der Leser will das Exotische."
Suaheli gegen "koloniales Über-Ich"
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Niveauvoller lautet dieser Vorwurf, daß sie gefälligst der Auf-
gabe gerecht werden sollen, sich als kulturelle Repräsentanten
ihres Kontinents aufzuführen: Sie sind noch immer von einem
"kolonialen Über-Ich" beherrscht, denn sie schreiben ihre Bücher
"in europäischen (Kolonial-)Sprachen."! Geradezu skandalös für
hiesige Freunde "kultureller Identität", daß "kaum ein Wort über
weitverbreitete Sprachen wie Haussa, Voloff oder Suaheli verlo-
ren" wurde. Stattdessen leben die afrikanischen Autoren in Paris,
schreiben ihre Bücher über Afrika auf Französisch und beherrschen
überdies eine "hervorragende französische Rhethorik" Wohltuend
dagegen die "englischsprechenden Autoren": "Ihre Sätze waren
knapper, die Aussprache afrikanisch hart." Fast authentisch!
Die afrikanischen Schriftsteller bedankten sich artig.
"Gewiß stellt sich hier das Problem der Rehabilitierung unserer
Sprachen, damit sie endlich schriftfähig werden. Also schreiben
wir so lange auf Französisch, Englisch, Portugiesisch, bis wir in
unseren afrikanischen Sprachen schreiben können." (Tchisaya U
Tam'si)
Ihre kulturelle Leistung bestreiten sie gerade damit, daß sie die
mangelnden Bedingungen und Grundlagen einer anerkannten nationa-
len Kultur als "kulturelle Probleme" und Schwierigkeiten ihrer
dichterischen Identität besprechen - fürs gebildete westliche Pu-
blikum natürlich, das diesen Zöglingen des Kulturimperialismus
wohlwollend eine Messe schenkt.
Gänzlich unerwünschte Authentizität
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überhaupt kein Verständnis fand der Boykott, den afrikanische
Verleger und Autoren gegen die Teilnahme südafrikanischer Verlage
als einer "Beleidigung der afrikanischen Würde und Persönlich-
keit" durchführten.
"Das sind große Worte, die vielleicht verständlich sind für die
Angehörigen solcher Völker, die sich gerade erst zur Nation for-
men. Bei uns kommen sie bei allem Verständnis, nicht mehr an."
(Frankfurter Rundschau vom 10.10.80)
Wenn sie meinen, aufgrund des Respekts vor dem "kulturellen
Reichtum" Afrikas selber herumpolitisieren zu können, dann muß
man sie daran erinnern, daß sich sowas im "freiheitlichsten Staat
in der bisherigen deutschen Geschichte" für Leute aus dem Busch
nicht gehört: Dort hat nämlich "die Toleranz Vorrang." (FR v.
10.10.80) Außerdem "schneiden sie sich ins eigene Fleisch", weil
sie es nicht einmal zu einer eigenen Kultursprache, einem natio-
nalen Verlagswesen nebst zahlungsfähigem Publikum gebracht haben.
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