Quelle: Archiv MG - AFRIKA ALLGEMEIN - Hungertod in 24 Staaten
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MSZ 6/82
Afrika
DER VORABENTSCHIEDENE SYSTEMVERGLEICH
"...werden die Kubaner weiter marschieren, wird der schwarze Kon-
tinent rot?"
Was ist denn eigentlich dran an der Vorstellung, mit der in den
letzten 30 Jahren abgewickelten Entkolonialisierung Afrikas wäre
aus diesem Kontinent ein Kampffeld der Konkurrenz zwischen den
feindlichen Weltlagern geworden?
Afrikanische Eigenstaatlichkeit mag ja seitdem sowohl linken
Hoffnungen als auch bürgerlichen Katastrophengemälden das Mate-
rial geliefert haben; die SU mag ja in jedem zu staatlichen Wür-
den und UNO-Sitz gelangten "Befreiungsführer" einen Fortschritt
in der "Fäulnis des Imperialismus " erblickt haben. Allein schon
die Standardformel vom "sowjetischen Einfluß", der in Afrika al-
lenthalben drohen und einige Staaten geradezu "gefesselt" haben
soll, zeigt jedoch die Eigentümlichkeit des M a ß s t a b s,
nach dem in Afrika ein "aggressives Ausgreifen des Sowjetimperi-
ums" (Entwicklungshilfeminister Warnke) ausgemacht wird. Dieser
liegt in der Selbstverständlichkeit, mit der die imperialisti-
schen Demokratien des Westens ökonomisch wie politisch über eine
Staatenwelt disponieren, die von vornherein davon lebt, als An-
hängsel des kapitalistischen Weltmarkts benutzt zu werden.
In "unserer Rohstoffkammer", "unserem NATO-Hinterland" kann es
"fremde Einmischung" = "Imperialismus" eben immer nur von der
Seite geben, die dort prinzipiell nichts zu melden hat und gerade
deshalb laufend der "Einflußnahme" bezichtigt wird: Bei dieser
Abstraktion von jeglichem konkreten Inhalt und Zweck einer prak-
tisch betätigten imperialistischen Zuständigkeit handelt es sich
ja nicht einfach um eine abkürzende Redeweise; was da immerzu
"droht", ist tatsächlich nichts anderes als der Anspruch des geg-
nerischen Lagers, dort drunten überhaupt mit der Bewegungsfrei-
heit einer Weltmacht präsent zu sein: Gibt es denn irgendwo in
Afrika ein lukratives Geschäftsfeld, das westlichem Kapital wegen
"sowjetischem Einfluß" verschlossen geblieben wäre? Keine Spur -
es liegt schon eine gewisse Ironie darin, daß die in Angolas Erd-
ölenklave Cabinda stationierten kubanischen Truppen dort die För-
deranlagen amerikanischer Erdölgesellschaften bewachen. Oder gibt
es auf diesem Kontinent wenigstens eine Militärbastion der SU,
die dem Gewaltapparat der Weltmacht Nr. 1 etwas entgegensetzen
würde? Fehlanzeige! Nicht einmal das schadenfroh als "letzter
afrikanischer Satellit" apostrophierte Äthiopien hat den Russen
einen militärischen Flottenstützpunkt zugestanden. Die in Angola
stationierten Kubaner fungieren weniger als Hindernis denn als
souverän präsentierte Begründung für einen von der Republik Süd-
afrika inszenierten leichenträchtigen Lernprozeß in Sachen afri-
kanischer Souveränität. Und bundesdeutsche Journalisten "ent-
larven" die von Somalias Führer ausgemachte "äthiopisch-russische
Invasion am Horn von Afrika" gelassen als das ganz selbst-
verständliche Verfahren eines afrikanischen Mickerlandes, durch
das Hochspielen der eigenen Bedeutung als Anhängsel westlicher
Strategien zu nationaler Größe zu gelangen:
"War es im Hinblick auf den desolaten Zustand der Armee, wo es
sogar an Schuhen fehlt, nicht sehr verzeihlich, daß man gegenüber
dem reichen amerikanischen Freund die Bedrohung ein bißchen grö-
ßer darstellte, als sie wirklich ist?" (Süddeutsche Zeitung,
13.10.82: "Somalia - der angebliche Verteidigungskrieg gegen
Äthiopien")
Und umgekehrt ist ausgerechnet die Unterordnung der paar vertrie-
benen "Freunde der SU" unter die Regie der EG wieder ein neuer
Beleg dafür, wie aggressiv die SU dort unten ihre "Kontrolle"
aufrechterhält:
"Es gehört zu den Eigenheiten der sowjetischen Politik, Satelli-
ten politisch und militärisch unter Kontrolle zu halten, die
Bürde der wirtschaftlichen Unterstützung aber mangels eigener
Leistungskraft dem Westen zu überlassen. Angola und Mozambique,
das erste von 21.000 Kubanern und Tausenden von Sowjet- und
'DDR'-Militärs kontrolliert, letzteres von 2.000 Sowjetblock-Mi-
litärs kontrolliert, haben die bisher abgelehnte Berlin-Klausel
akzeptiert und wollen der Lomé-Konvention der EG beitreten, um in
den Genuß von EG-Wirtschaftshilfe zu kommen." (Die Welt,
12.10.82)
Die letzten Freunde der SU rechnen sich also offenbar genau aus,
wie weit ihre Freundschaft zum Vaterland des Sozialismus gehen
darf - und kaum daß die Nutzen-Kosten Rechnung mal so herum auf-
geht, daß sowjetische Hilfeleistungen sich durch massive Distan-
zierung von der SU und dann erfolgende "Hilfe" des Westen erset-
zen lassen, oder umgekehrt: Wenn das Festhalten an diesen Hil-
feleistungen vom Westen mit um so größeren Schädigungen
"honoriert" wird, dann kommt diese Distanzierung auch. Dann er-
folgt die Klarstellung, daß der Sozialismus der SU mit dem origi-
nal-schwarzafrikanischen Sozialismus überhaupt nichts zu tun hat.
Folgendermaßen äußert sich der Führer der als marxistisch ver-
schrienen namibischen Befreiungsbewegung SWAPO:
"Es ist ein Unsinn, davon zu sprechen, daß die Sowjetunion nach
der Unabhängigkeit Einfluß in Namibia haben wird. Welche afrika-
nischen Staaten sind denn Satelliten der Sowjetunion geworden? Es
gibt keine." (Times, 2.10.82)
Das sagt einer, der gleichzeitig die Lieferungen der Sowjetunion
nicht nur begeistert in Empfang nimmt, sondern geradezu fordert -
um eben selbem Lieferer in schon verächtlicher Manier mitzutei-
len, daß er sich dadurch in nichts verpflichtet fühlt. Im näch-
sten Schritt geht er mit dieser Mitteilung im Westen hausieren
und begegnet dessen ausgesprochenem Mißtrauen mit blanker An-
biederei.
Von einer Benutzung der afrikanischen Befreiungsbewegungen für
die "imperialistischen Ziele der SU" kann nie die Rede gewesen
sein. Eher war es umgekehrt, daß nämlich afrikanischer Nationa-
lismus - vom Westen mit der Haltung konfrontiert, daß derjenige
Unterstützung verdient, der sich durchgesetzt hat, vorher ist
Mißtrauen am Platz - sich der Freundschaft der Weltmacht Nr. 2
versicherte, sich dafür auch ein paar sozialistische Phrasen zu-
legte, um im richtigen Moment die "Öffnung" zum Westen einzulei-
ten. Das Kalkül ist natürlich eines, das unter dem Diktat des We-
stens steht - er legt fest, welche Befreiungsbewegung wann akzep-
tabel ist, beobachtet ziemlich gelassen, wie sich manche Hilfe
anderweitig suchen, greift ein, wenn es ihm zu weit geht, läßt
dann gnädig und mit umso schärferen Auflagen die Rückkehr in die
Freiheit geschehen, nimmt die politischen Angebote der letzten
verbliebenen "Freunde der SU" nicht wahr, sondern stellt ihnen
Ultimaten, und hetzt ununterbrochen gegen den verderblichen Ein-
fluß der Sowjetunion in einem Gebiet, das n u r i h m g e-
h ö r t, was er mit dieser Beschwörung möglicher Verluste von
Interessensphären laufend klarstellt.
Die Sowjetunion scheint daraus nichts lernen zu wollen. Noch 1981
sagen ihre Vertreter in der UNO:
"Die jungen unabhängigen Staaten können sich auf die Unterstüt-
zung der sozialistischen Gemeinschaft verlassen, sowohl auf ihre
Erfahrungen bei der Errichtung und Festigung einer unabhängigen
nationalen Wirtschaft als auch darauf, wie dem von den imperiali-
stischen Mächten und ihren Monopolen ausgeübten Druck entgegenzu-
wirken ist."
Da handelt es sich nicht um Dummheit oder außenpolitische Blind-
heit; vielmehr ist dies genau die Politik der Sowjetunion: Den
Staaten der "3. Welt" ist bei der "Errichtung und Festigung einer
unabhängigen nationalen Wirtschaft" zu helfen, und d a d u r c h
wird dem Druck der "imperialistischen Mächte und ihren Monopolen
entgegengewirkt". Von Bekämpfung des Hauptfeindes ist nicht die
Rede - die Errichtung s o u v e r ä n e r S t a a t e n soll
überhaupt d i e Einschränkung seines "räuberischen Charakters"
sein und ihm die Verschleierung seiner "inneren Fäulnis"
zunehmend verunmöglichen. Die Sowjetunion braucht also nur
danebenzustehen und darauf zu achten, daß die "jungen,
unabhängigen Staaten" unabhängig bleiben; wichtig ist nur, daß
diese Staaten mit ihr befreundet sind; vernachlässigbar ist, daß
der Sozialismus dort nicht installiert wird. Der Imperialismus
"räubert" derweil weiter, wobei er sich fest darauf verlassen
kann, daß "nationale unabhängige Wirtschaften" sich darauf
besinnen müssen, die Wohltaten des Weltmarktes als unerläßlich
für die Aufrechterhaltung der eigenen Herrschaft zu betrachten -
ihre "Unabhängigkeit" will ihnen dabei niemand bestreiten. Sie
dürfen sich sogar ganz souverän mit den "Industrienationen" auf
GATT- und anderen Konferenzen um den weiteren wirtschaftlichen
Umgang mit ihnen streiten und sich über die "Benachteiligung" im
Welthandel und die mangelnde Kreditierung beschweren, von der sie
abhängig sind. So genießen sie als gleichberechtigte Nationen die
Früchte der Entkolonialisierung.
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