Quelle: Archiv MG - AFRIKA ALLGEMEIN - Hungertod in 24 Staaten
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MSZ 2/81
Afrika
NACHRICHTEN VOM SCHWARZEN KONTINENT
1. Hilfe für Somalia
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"Flüchtlinge hungern in Somalia
Rund 20000 in einem Lager in Somalia untergebrachte Flüchtlinge
aus Äthiopien sind nach Angaben aus Genf unmittelbar vom Hunger-
tod bedroht. Nie zuvor im Laufe seiner 20jährigen Tätigkeit für
die Vereinten Nationen habe er so Furchtbares gesehen, sagte der
Sprecher des UNO-Hochkommissars für Flüchtlinge, Leon Davico....
Nach den Worten Davicos werden Teile Somalias derzeit von der
schwersten Dürreperiode seit dreißig Jahren heimgesucht. Bei Dega
seien zwei Flüsse völlig ausgetrocknet. Er habe dort Menschen
beobachtet, die auf der verzweifelten Suche nach Wasser mit blo-
ßen Händen den Boden aufgekratzt hätten.
Der somalische Präsident Mohammed Siad Barre hat vor Versuchen
der Sowjetunion gewarnt, in Somalia wieder Fuß zu fassen. Moskau
nutze sein gesamtes Potential, um dieses Ziel zu erreichen, sagte
Siad Barre. Es baue dabei auf die inneren Probleme Somalias, auf
das äthiopische Regime und auf das Zögern der USA und Westeuro-
pas, Somalia Waffen zu liefern. Somalia hatte 1977 nach dem
Putsch in Äthiopien die Beziehungen mit Moskau abgebrochen und
vor einem Jahr den USA die Benutzung von Marinestützpunkten ge-
stattet." (Süddeutsche Zeitung vom 3. März)
Nicht zufällig montiert die "Süddeutsche Zeitung" die Sorgen des
Herrn Mohammed Siad Barre mit dem Schreckensbericht des UN-
Flüchtlingskommentars zu einer Nachricht: Weil beide Ereignisse
in einer Weltgegend spielen, die das Glück hat, einer der Schau-
plätze der aktiven Austragung des Kampfes Freie Welt contra
"sowjetische Aggression" zu sein, wundert es auch nicht, daß Mel-
dung 1 nicht einmal mit dem sonst üblichen Spendenkonto versehen
ist, während die Adresse des hilfeersuchenden Politikers den an-
gesprochenen Stellen bekannt sein dürfte. Es spielt auch keine
Rolle, daß besagter Herr Barre mit seinem Versuch, dem äthiopi-
schen Nachbarn eine Grenzprovinz abzunehmen, den Flüchtlingsstrom
in Gang gesetzt hat, weil der seitdem andauernde Kleinkrieg den
Ogaden zum Kriegsgebiet gemacht hat. Über die Ursachen der Hun-
gerkatastrophe erfährt der Leser, daß einerseits die Dürreperiode
schuld sein könne, die das Land "heimsucht", andererseits
"Versuche der Sowjetunion, in Somalia wieder Fuß zu fassen", es
sind, die 20000 Eingeborene aus Äthiopien in Marsch gesetzt ha-
ben. Gegen Naturkatastrophen, bei denen hier Politiker als Bewäl-
tiger der Folgen Grundsteine einer Kanzlerschaft legen bzw. sich
die Unfähigkeit eines Staates zeigen soll (siehe Italien),
scheint da unten nicht nur kein Kraut gewachsen zu sein, sie ge-
hören anscheinend zu den landeskundlichen Eigenheiten, weswegen
sie auch nur dann in die Zeitung geraten, wenn die Gegend aus po-
litischen Gründen von sich reden macht. Sie sind somit auch nur
ein "inneres Problem" Somalias, solange sie nicht als Herausfor-
derung für den Westen aufgegriffen werden, Barre aufzurüsten, da-
mit die Sowjetunion nichts "ausnützt". So ist auch klar, warum
dem Bericht des Herrn Davico nicht auf dem Fuße ein Hilfsappell
folgt: Gegen Naturkatastrophen ist man schließlich machtlos, ge-
gen die Russen nicht. Ganz nebenbei läßt sich der Meldung auch
etwas über die segensreiche Wirkung der Entwicklungshilfe entneh-
men; schließlich ist Somalia seit Mogadischu ein bevorzugter Emp-
fänger westdeutscher Gelder. Für die Bewältigung der Ursachen und
Folgen von "heimsuchenden Dürreperioden" ist sie anscheindend
nicht gedacht.
II. Wahlen in Zentralafrika
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In einem afrikanischen Land, dessen Namen einem zumindest verrät,
wo man es auf der Landkarte zu suchen hätte, so mal will, haben
Wahlen stattgefunden:
"Dacko gewinnt Wahlen in Zentralafrika
Die zentralafrikanische Regierung hat eine nächtliche Ausgangs-
sperre verhängt, um Unruhen wegen der Ergebnisse der Präsidenten-
wahl zu verhindern. Die Auszählung brachte nach offiziellen Anga-
ben einen überwältigenden Sieg für den bisherigen Präsidenten Da-
vid Dacko mit über 60 Prozent der Stimmen. Dacko hatte mit fran-
zösischer Hilfe 1979 das Regierungsamt übernommen, nachdem Kaiser
Bokassa abgesetzt worden war. An zweiter Stelle folgte nach die-
sen Angaben der Oppositionspolitiker Ange Patasse mit 28 bis 30
Prozent der Stimmen. Von ihm fehlt jedoch seit zwei Tagen jede
Spur. Seine Anhänger verbreiteten in der Hauptstadt Bangui, wie
die Pariser Zeitung Le Monde berichtet, die Vermutung, daß das
Wahlergebnis gefälscht worden sei." (Süddeutsche Zeitung vom 20.
März)
Irgendwie erweckt zumindest der erste Teil der Meldung den Ein-
druck, eine Präsidentenwahl in der Zentralafrikanischen Republik
sei genau dasselbe wie hierzulande mit Stimmabgabe, Auszahlung,
Sieger und Besiegten. Lediglich die bei solchen Anlässen in die-
sen Gegenden übliche Formulierung "nach offiziellen Angaben" ver-
rät, was man von der Pflege demokratischer Herrschaftsformen in
Bangui zu halten hat. Macht aber nichts, weil man gleich erfährt,
daß dieser Dacko erstens das Wohlwollen Frankreichs genießt und
zweitens gegen einen "Kaiser" Bokassa ins Amt geputscht worden
ist; ein Potentat, bei dem schon die Gänsefüßchen um den Titel
verraten, daß die Geschichte, so sie ihn überhaupt würdigt, an-
ders urteilen wird als über unsern Kaiser - ohne
Anführungszeichen - Wilhelm. Daß Frankreich in seiner ehemaligen
Kolonie für O r d n u n g gesorgt hat, versteht sich von
selbst. Von "Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines
souveränen Staates" war da nie die Rede. "Hilfe" für ein
"befreundetes Land" heißt das, und da braucht es keine Bitte der
Regierung, denn schließlich ist Frankreich mit der BRD
befreundet, vertritt in Afrika westliche Interessen, weswegen es
sich bei Zentralafrika auch nicht um Afghanistan handelt, auch
wenn immer noch französische Truppen im Land und drumherum
stationiert sind. Das Verschwinden des Oppositionsführers
rangiert da bestenfalls als Kuriosität: Dissidenten gibt's
schließlich nur im Ostblock! Allerdings mußte die "SZ" noch
einmal auf diese Wahl zurückkommen, wegen der typisch
afrikanischen Form der "Wahlanalyse" durch die Eingeborenen:
"Unruhen in Bangui nach Dackos Wahlsieg
Zu gewalttätigen Auseinandersetzungen ist es nach der Bekanntgabe
des Sieges von Staatschef David Dacko bei den Präsidentschafts-
wahlen in Bangui gekommen. Nach Angaben der Behörden hatten De-
monstranten in der Nacht Häuser und Geschäfte von Weißen geplün-
dert. Vor der Universität demonstrierten 2000 Leute, die Plakate
mit der Aufschrift 'Nein zu Dacko' bei sich trugen. Die Polizei
versuchte, die Menschenmenge mit Tränengas auseinanderzutreiben.
Dacko rief die Bevölkerung über den Rundfunk zur Ruhe auf und ap-
pellierte an sie, die Einheit zu erhalten. Dacko war mit 50,33
Prozent der abgegebenen Stimmen für die kommenden sechs Jahre zum
Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik gewählt worden.
Sein Gegenkandidat Ange Patasse hatte 38,11 Prozent der Stimmen
erhalten." (a.a.O., 21. März)
Was den Zeitungsbeobachter besorgt stimmt, ist die Gefahr, daß
die Wahlen, mit denen sich das Dacko-Regime international legiti-
mieren und national stärken wollte, den Gang der Herrschaft da
unten wackliger machen könnten, der Zweck der Veranstaltung also
ins Gegenteil ausschlägt. Zur Beruhigung gleich zu Beginn der
Nachricht über die Unruhen, daß die Regierung sie im Griff hat.
Einige Denkanstöße für die politische Bildung werden auch noch
geboten:
"Geschäfte von Weißen geplündert" - die Neger sind immer noch
weißenhassende Wilde.
"Vor der Universität demonstrierten..." - wie bei uns die Studen-
ten.
"Die Polizei versuchte..." - besonnenes Vorgehen der Sicherheits-
kräfte.
Fazit der zweiten Meldung: Dacko macht seine Sache, wie es sich
gehört. Daher auch keine Zweifel mehr an offiziellen Angaben. Die
dritte Meldung signalisierte dann nur noch den Abgang der zen-
tralafrikanischen Politik aus dem öffentlichen Interesse demokra-
tischer Beobachter hierzulande:
"Lage in Zentralafrika wieder entspannt
Die Lage in der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik hat
sich wieder entspannt. Oppositionsführer Ange Patasse rief die
Bevölkerung Banguis zur Ruhe auf. Unterdessen sind zwei Personen,
die bei der Demonstration gegen die Wahl von David Dacko zum Prä-
sidenten verletzt worden waren, gestorben. Die Polizei versi-
cherte, sie seien durch Munition verwundet worden, die nicht aus
den Waffen der Sicherheitskräfte stamme. Nach den Ausschreitungen
hatte Dacko das Kriegsrecht ausgerufen und das Militär ermäch-
tigt, alle Unruhestifter auf der Stelle zu erschießen." (a.a.O.,
24. März)
Die "Lage" hat sich so "entspannt", daß auch der Verlierer sich
nicht mehr traut, als Störenfried Zeilen in der Weltpresse zu
schinden. Zwei Tote hat's auch gegeben, aber die gehören da unten
zum Straßenbild. Was anderes wäre es natürlich, wenn nach den
kommenden Wahlen in Frankreich der Verlierer verschwindet,
Straßenschlachten stattfinden und kein Mensch an die Korrektheit
der Auszählung glaubt. Die französische Polizei käme wohl kaum
mit der "Versicherung" durch, die Toten wären an fremden Kugeln
gestorben. Es zählt halt zu den Errungenschaften unserer zivili-
sierten Demokratie, daß man sich die Formen der Herrschaft im
afrikanischen Hinterland des Imperialismus bei uns nicht vorstel-
len kann, während die Beherrschung der chaotischen Negernatur
auch durch die drastischen Maßnahmen dafür sorgt, daß auch diese
Breiten für Fortschritt, Frieden und Freiheit erhalten bleiben.
III. Inkonsequenter Rassismus in Südafrika
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"Im Kapstädter Parlament legte das Innenministerium Ende 1979
seine Klassifizierungsbilanz vor. Danach waren im Berichtszeit-
raum umgestuft worden: zwei Weiße zu Mischlingen, 101 Mischlinge
zu Weißen, sechs Weiße zu Chinesen, zwei Weiße zu Indern, drei
Mischlinge zu Chinesen, zwei Chinesen zu Mischlingen, ein Chinese
zum Weißen, elf Inder zu Mischlingen." (Spiegel 12/81)
Eine Nachricht der "Regierung von Absurdistan", meint der
"Spiegel" und entdeckt in der souveränen Sortierung, die der süd-
afrikanische Staat unter seinem Volk nach seinem Interesse
vornimmt, eine "institutionalisierte Albernheit", die sich nicht
gehört für einen "Staat, der sich als Mitglied der freien Welt
empfindet". Dieser Vertreter der freien Öffentlichkeit ist
empört, daß Südafrika sich mit der Apartheid einen unwürdigen
Rückfall in die Barbarei erlaube -
"Das hat es in der neueren Geschichte der Zivilisation auch noch
nicht gegeben." -,
wo das doch nur bei Barbaren seinen Platz hat:
"Nun ist Rassismus gewiß kein exklusiv südafrikanisches Phänomen.
Mindestens ebenso tiefe Wurzeln hat die Rassendiskriminierung
dort, wo sie - verbal - am heftigsten bekämpft wird: in Schwarz-
afrika. Nur daß sie dort nirgendwo Gesetz ist."
Den Negern liegt der Rassismus im Blut, verkündet das aufgeklärte
Blatt, weshalb es "Mordorgien in Ruanda und Burundi" als Exotika
des schwarzen Kontinents schildert und Idi Amin zum "mörderischen
Clown" verharmlost. Wenn aber Weiße, denen nach dieser modernen
Rassenlehre Zivilisation im Blut liegt, als "rassische Minderheit
die Mehrheit unter Berufung auf nichts als Haut und Haare konsti-
tutionell zur Rechtlosigkeit verurteilt", dann fällt einem
"Spiegel" daran nicht auf, daß Apartheid ganz un-natürlich ein
Mittel der dortigen Herrschaft ist; vielmehr regt er sich furcht-
bar darüber auf, daß der südafrikanische Staat sein Volk nicht
nach den gültigen demokratischen Maßstäben sortiert, sondern sich
der demokratischen Formen bloß bedient, soweit sie ihm passen und
darüber die Demokratie diskreditiert. Diese besteht bekanntlich
hierzulande darin, daß alle Staatsbürger gleich sind, ungeachtet
ihrer Hautfarbe das Gesetz zu spüren kriegen und überhaupt alle
schönen Rechte in der BRD genießen - es sei denn, es handelt sich
um Ausländer.
Die Weißen in Südafrika sind für den "Spiegel" deshalb keine nor-
malen Mitglieder der "freien Welt"; sie leiden an einem polit-
psychischen Defekt: "kodifizierter Rassenwahn". Und da hat der
"Spiegel" einige Enthüllungen zu bieten:
"Ganz rasserein ist sowieso keine von den guten alten weißen Fa-
milien. ... Fast alle haben sie einen Schuß schwarzes Blut in den
Adern. Das soziologische Institut der Universität Natal will her-
ausgefunden haben, daß es acht Prozent sind. Jeder Bure ein
Zwölftel-Neger. Peinlich."
Das freut einen aufgeklärten Menschen, den Rassisten ihre eigenen
Prinzipien um die Ohren hauen zu können und sie daran zu blamie-
ren: Selber nicht rasserein, also kein Recht, Rassist zu sein! So
lacht sich der "Spiegel" halb kaputt über seine Entlarvung des
von ihm erfundenen Opportunismus der Buren:
Die Taiwan-Chinesen haben den Durchbruch" ('Ehrenweiße' zu sein)
"dank eines beidseitigen Handelsvolumens von gut einer halben
Milliarde Mark schon geschafft."
Wie konsequent unrassistisch und konsequent politisch geht da un-
ser Staat vor, der extra Schiffe ausschickt, um vietnamesische
Flüchtlinge aufzufischen und etliche davon einzubürgern, während
er Pakistaner abschiebt und in Asylantenlager sperrt.
Einen originellen Grund für südafrikanische Eigenheiten entdeckt
der "Spiegel" schließlich noch in der "bigotten Verklemmung" der
Spießer vom Kap: So stöbert er für seine aufgeklärten Leser ty-
pisch burischen Schweinkram auf
"Sex mit Negern ist ein alter Burensport" -
und hat für seine Leser seitenweise "die Hand am warmen Laken":
"In 'Sun City' gibt es alles, was das reglementierte Burenherz
sonst vergebens begehrt: schwarzer Sex, Schmuddelfilme, laster-
hafte Spiele."
Da ist es doch was anderes, ein 'gesundes' Verhältnis zu den Ne-
gern zu haben und ihnen gönnerhaft zuzugestehen, daß sie "auch
Menschen" sind und man ganz viel Verständnis dafür hat, daß sie
sich so exotisch aufführen.
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